zum Hauptinhalt

Berlin: Aus alt mach neu: Hinter den getönten Scheiben geht das Licht aus

Die Aussicht durch die hohen Fenster des Restaurants "Orangerie" ist grandios - in keiner Lokalität kommt man dem wuchtigen Steingebirge des Berliner Doms näher als auf diesem gemütlichen Hochsitz über der Spree. Aber die Tasse Kaffee mit dem schönen Blick als Sahnehäubchen hat schon fast etwas Nostalgisches, und man teilt das Gefühl der Tristesse, mit dem die dienstbaren Geister im Radisson SAS-Hotel in der Karl-Liebknecht-Straße den nächsten Tagen entgegensehen (und dennoch bis zum bitteren Ende nach dem Motto verfahren: "Immer nur lächeln.

Die Aussicht durch die hohen Fenster des Restaurants "Orangerie" ist grandios - in keiner Lokalität kommt man dem wuchtigen Steingebirge des Berliner Doms näher als auf diesem gemütlichen Hochsitz über der Spree. Aber die Tasse Kaffee mit dem schönen Blick als Sahnehäubchen hat schon fast etwas Nostalgisches, und man teilt das Gefühl der Tristesse, mit dem die dienstbaren Geister im Radisson SAS-Hotel in der Karl-Liebknecht-Straße den nächsten Tagen entgegensehen (und dennoch bis zum bitteren Ende nach dem Motto verfahren: "Immer nur lächeln...").

Ab 1. Dezember ist das Hotel geschlossen. Am morgigen Donnerstag treffen sich die Mitarbeiter mit Kollegen von einst zu einer Abschiedsparty. Zum letzten Mal sind dann die Zimmer hinter den Thermoglasscheiben in der wabenartigen Fassade erleuchtet und bewohnt, aber danach "wird alles zu Kleinholz", beschreibt ein Mitarbeiter drastisch-bildhaft die Zukunft des toten Hauses. Ein anderer meint, das umfangreiche, teils moderne, teils sehr gemütliche Interieur werde auf Hotels der Radisson-Kette verteilt oder auch öffentlich verkauft. "Natürlich bin ich traurig!" sagt die freundliche Sauna-Frau bestimmt, und es scheint, dass die Tränen kommen, während sie ein Glas Abschiedssekt auf die Pool-Bar stellt. Nun ist es also soweit: Der einstige Palast-Hotel, von einer schwedischen Firma von 1976 bis 1979 gebaut, wird nach nur 21 Jahren Existenz auseinandergenommen und ausgeräumt. Anfang Januar beginnt der Abriss.

Deshalb hat auch für die Geschäfte und Restaurants im Parterre das letzte Stündlein geschlagen. Eine Auto-Vermietung zieht ins Maritim, ein Reisebüro zur Kantstraße, Friseurmeister Umlauf näher zum Alex, wo auch "Fridays" eines Tages wieder auftaucht, sobald das neue Kino in der Rathausstraße fertig ist. "Wenn das mal gut geht", macht sich die Verkäuferin im Herren-Modehaus Kaulfuß ("alles um 40 Prozent billiger!") so ihre Gedanken, "beim Abriss könnte die ganze Untergrund-Statik der umliegenden Gebäude, vor allem des Doms, durcheinander geraten - vielleicht lassen sie deshalb auch den Palast der Republik stehen!?"

Er gab dem Palast-Hotel den Namen. Ferenc Kiss war der Architekt des Hauses, in dem 1000 Betten auf Schlafgäste aus dem Westen mit dem harten Geld in der Tasche warteten. Für müde DDR-Menschen war das "Devisen-Hotel" nicht gebaut worden; nach wochenlanger Anmeldung kam man bei etwas Glück ins japanische Jade-Restaurant, musste dort aber bei der Bestellung Bescheid sagen, dass die Zeche in DDR-Mark beglichen wird. West-Zeitungen gab es nur für West-Hotelgäste, denen überhaupt ungewohnte Freundlichkeit und Fürsorge zuteil wurde: Als sich in den achtziger Jahren ein Hamburger Ehepaar telefonisch nach den Buchungsmöglichkeiten erkundigte, wurde es mit der Botschaft verblüfft: "Wenn Sie bei uns wohnen, fällt für Sie der Zwangsumtausch weg".

Nun also der Abriss. Die Difa (Deutsche Immobilien-Fonds AG) hatte das Radisson seit 1994 in ihrem Liegenschaftsbestand und möchte nun auf über 17 000 Quadratmetern für 870 Millionen Mark einen Komplex aus vier Gebäuden mit Hotel, Büros und Wohnungen errichten. Attraktion soll eine öffentlich zugängliche Badelandschaft im höchsten Geschoss gegenüber der Dom-Kuppel sein. Dorthin gelangen die Besucher mit einem Fahrstuhl, der durch ein 30 Meter hohes Aquarium mit exotischen Fischen und einer nachgebauten Unterwasserlandschaft in die Höhe rauscht. Das neue Radisson wird ein Vier-Sterne-Haus mit 408 Zimmern, der Bau soll bis an den Uferweg der Spree vorgezogen werden, womit die grünen Freiflächen im Westen und an der Liebknecht-Straße beseitigt wären. Die Difa gab ihrem Produkt einen sperrigen Namen - in Anlehnung an die Nachbarn Dom und Spree soll es "DomAquarée" heißen und im Herbst 2003 fertig sein.

Direkt gegenüber dem Palast der Republik tut sich also zwischen Spree und Spandauer Straße ein zweiter innerstädtischer Bauplatz auf, und mancher, der seinen Arbeitsplatz im Staub der Abrissbagger verschwinden sieht, hofft jetzt, in drei Jahren wieder an der Rezeption, im Restaurant und in der Sauna den Gästen ihre Wünsche von den Augen abzulesen.

Zur Startseite