zum Hauptinhalt
Mehr als zehntausend Mitglieder zählt die jüdische Gemeinde in Berlin. Viele von ihnen fühlen sich stärker bedroht. Hier ein Bild aus der Beth-Zion-Synagoge.

© Stephanie Pilick/dpa

Aus Angst vor Anfeindungen: Schutzhülle für Zeitung "Jüdisches Berlin"

Aus Angst vor Anfeindungen verschickt die Jüdische Gemeinde ihr Magazin künftig neutral verpackt. Schon länger verzichten viele von ihnen auf das Tragen der Kippa, manche zeigen auch Straftaten gar nicht mehr an.

Von Sandra Dassler

Die Zeitschrift „Jüdisches Berlin“ erscheint seit 1998 einmal im Monat. Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin erhalten das Magazin gratis per Post – aber ab sofort nicht mehr unverpackt, sondern in einem neutralen Umschlag. „Wir haben uns trotz erheblicher Mehrkosten dazu entschieden, um die Wahrscheinlichkeit von Anfeindungen gegen unsere mehr als zehntausend Gemeindemitglieder zu reduzieren“, sagte der Sprecher der Jüdischen Gemeinde, Ilan Kiesling, dem Tagesspiegel: „Manche hatten uns schon angerufen und gesagt, dass sie überlegen, das Abo zu kündigen.“

Der Vorsitzende der Gemeinde, Gideon Joffe, hatte im Grußwort der aktuellen Ausgabe darauf hingewiesen, dass sich nach den Anschlägen von Paris, aber auch nach den Demonstrationen während des Gaza-Konflikts im vergangenen Jahr jüdische Menschen stärker bedroht fühlten. Und auch tatsächlich stärker bedroht seien. „In Berlin werden Israelis zusammengeschlagen, einzig und allein aus dem Grund, weil sie israelische Juden sind und Antisemiten in Berlin schreien ihren Hass gegen deutsche Juden aus den Fenstern“, schrieb Joffe.

Kein Anstieg antisemitischer Straftaten

Allerdings habe es 2014 keinen Anstieg von antisemitischen Straftaten in Berlin gegeben, sagt Polizeisprecher Stefan Redlich. Das sei angesichts der etwa 60 meist pro-palästinensischen Demonstrationen während des Gaza-Konflikts in der Stadt nicht selbstverständlich. Natürlich würden aber auch alle jüdischen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Synagogen, Gemeindehäuser oder Friedhöfe massiv geschützt.

Behauptungen, wonach die Polizei jüdischen Menschen empfehle, Symbole ihres Glaubens wie Kopfbedeckung oder Davidstern nicht in der Öffentlichkeit zu tragen, wies Redlich zurück: „Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen in Berlin ihre Grundrechte wahrnehmen können“, sagte er: „Wir raten niemandem, Zeichen seines Glaubens abzulegen und tun – übrigens in enger Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde – alles dafür, dass jüdisches Leben in unserer Stadt sicher ist und sicher bleibt.“

Viele tragen keine Kippa

Viele Berliner Juden verzichteten aber von sich aus seit längerem auf das Tragen der Kippa oder des Davidsterns, sagte Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus: „Manche zeigen Straftaten auch gar nicht mehr an, weil die Täter ja doch nicht gefasst werden. Die Dunkelziffer ist sehr hoch, der Antisemitismus wird immer noch unterschätzt.“

Salomon kritisiert, viel zu wenigen Menschen sei bewusst, dass die Anschläge von Paris und Kopenhagen in erster Linie jüdischen Einrichtungen gegolten hätten und dass bestimmte antisemitische Losungen, die man im vergangenen Jahr auf Demonstrationen gegen Israel gehört hätte, vielen jüdischen Berlinern große Angst gemacht hätten.

Unerträgliche Losungen bei Demonstrationen

Der Polizei sei das sehr wohl bewusst, sagt Sprecher Stefan Redlich. Aber selbst unerträgliche Losungen wie „Jude, Jude, feiges Schwein – komm heraus und kämpf’ allein“ hätten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Man habe dann aber andere Möglichkeiten genutzt und für anschließende Demonstrationen entsprechende Auflagen erteilt.

Zur Startseite