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Berlin: Aus dem Auto gezerrt und getötet

Fünf Polen überfielen einen Landsmann. Jetzt stehen sie vor Gericht und schweigen über ihr Motiv

Ein kurzer Halt vor einem Imbiss wurde für Piotr S. zur tödlichen Falle: Mehrere Männer schlugen auf seinen Opel Corsa ein und zogen ihn aus dem Auto. Es war 23.46 Uhr am noch immer belebten Hermannplatz in Neukölln, als die Täter den 25-jährigen Polen mit Schlägen und Tritten misshandelten. Piotr S. wehrte sich heftig, rief um Hilfe. Plötzlich war ein Messer im Spiel. Der Pole starb kurz nach dem Überfall im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft macht fünf Landsmänner des Opfers für die Tat verantwortlich. Seit gestern müssen sie sich wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten.

Der jüngste Angeklagte ist 22 Jahre alt, der älteste 34. Sie leben zum Teil schon länger in Berlin, sind von Beruf Schlosser, Fleischer oder Koch. Einige Tage nach dem Überfall am 6. November letzten Jahres waren sie festgenommen worden. Klare Geständnisse aber gab es nicht. Einer der Polen meinte, er sei vor der Tat nach Hause gebracht worden. Ein anderer gab an, er sei nur der Fahrer gewesen. Ein 32-Jähriger soll erklärt haben, dass er sich die Sache auf dem Hermannplatz nur angeschaut habe. Nur einer der Männer räumte ein, zugetreten zu haben.

Es fand in jener Nacht offenbar eine gezielte Suche nach dem Opfer statt. Zwei Stunden vor dem tödlichen Überfall sollen die Angeklagten in eine Wohnung in der Kienitzer Straße in Neukölln eingedrungen sein, weil sie sich dort einen Hinweis auf Piotr S. erhofften. Ein dort angetroffener Mann sei von ihnen mit einer Bierflasche attackiert und am Kopf verletzt worden. Schließlich lauerte die Gruppe laut Anklage dem Opfer auf – bewaffnet mit Knüppeln und Messern. Nach massiven Schlägen und Tritten soll Lukasz G., der jüngste der Angeklagten, Piotr S. mindestens vier Stiche in den Oberkörper zugefügt haben.

Über die Hintergründe gibt es bislang nur Spekulationen. „Das Motiv ist unklar, wie so vieles in diesem Verfahren“, erklärte einer der Verteidiger am Rande des Prozesses. Es könne um kriminelle Geschäfte, um Drogen oder gestohlene Navigationsgeräte gehen. Ein anderer Anwalt hält den Streit um eine Frau als Motiv für möglich. Das Opfer war wie die meisten der Angeklagten jedenfalls vor der Tat polizeibekannt. Piotr S. lebte ohne festen Wohnsitz in Berlin und soll mehrfach als Dieb erwischt worden sein.

Zu Prozessauftakt wurde lediglich die Anklage verlesen. Ob sich die fünf Polen zu den Vorwürfen äußern werden, steht noch nicht fest. Es ist jedenfalls von einer umfangreichen Verhandlung auszugehen. Die Staatsanwaltschaft hat für den bis Ende September terminierten Prozess 40 Zeugen benannt.

Kerstin Gehrke

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