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Berlin: Aus dem Dschungel in die Kulturbrauerei

Daniel Küblböcks Auftritt in Berlin zeigte: Der 20-Jährige polarisiert noch immer – aber angenehm anders als früher

Imke wirkt ein bisschen verstört. Dass Daniel Küblböcks Konzert in der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg anders sein würde als seine früheren Auftritte, hat die 20-Jährige erwartet. Schließlich hat sie sich Küblböcks neue Platte schon vor einem Monat gekauft. Aber dass der Musiker am Dienstagabend keinen einzigen seiner alten Hits spielt, findet Imke nicht gut. Jetzt steht sie hinten am Tresen, trinkt Bier und hofft. „Vielleicht spielt er die alten Sachen ja als Zugabe?“

Spielt er nicht. Drei Jahre nach „Deutschland sucht den Superstar“ hat Daniel Küblböck einen radikalen Imagewechsel vollzogen: Er komponiert und textet selbst. Er singt nur noch Deutsch. Und er hat dem Dudel-Pop abgeschworen, stattdessen gibt es laute Gitarren, harte Bässe, Elektro-Einflüsse. Manchmal klingt seine Musik nach düsterem 80er-Jahre-Wave, manchmal sogar nach Rammstein. Das „R“ kann er auch rollen, nur nicht so hart wie Rammstein, sondern eben wie ein liebenswerter 20-Jähriger aus dem bayerischen Eggenfelden. Der neue Stil verwirrt nicht nur alte Fans wie Imke, sondern auch seine Kritiker, weiß Küblböck. „Viele fragen sich: Was will er uns damit sagen?“ Das freut ihn: „Ich steh’ jetzt plötzlich nicht mehr im Klatschteil, sondern im Feuilleton. Die Leute interessieren sich für meine Musik.“ Neu ist auch die Ernsthaftigkeit in seinen Texten: Sie tragen Titel wie „Ich gehöre nicht jedem“, „Einsamkeit“ oder „Ich hass mich“. Der Musiker erklärt das mit der „ziemlich schweren Zeit“, die hinter ihm liege. „Ich bin durch ein Tal der Tränen gegangen und habe aufgeschrieben, was mich bewegt.“ Wann das genau war und warum, sagt Küblböck nicht. Ist aber auch nicht schwer zu erraten: Direkt nach der Casting-Show „DSDS“ schaffte er es 2003 mit seiner Debütsingle „You drive me crazy“ auf Platz eins der deutschen Charts. In der ZDF-Show „Unsere Besten“ wurde er – noch vor Beckenbauer, Gottschalk und Grönemeyer – auf Platz 16 der Liste der „bedeutendsten Deutschen“ gewählt. Der Absturz kam 2004: Erst nahm er an der RTL-Dschungelshow teil, dann knallte er ohne Führerschein mit einem Gurkenlaster zusammen, dann floppte sein erster Kinofilm „Daniel – der Zauberer“. Und alle, die ihn schon immer nicht gemocht hatten, fühlten sich bestätigt und machten sich noch hemmungsloser über ihn lustig. Wobei den Sänger schlechte Kritiken angeblich gar nicht stören: „Ich habe doch auch meine Meinung über Leute wie Eminem oder Peter Maffay. Und ein Künstler kann nicht vorwärtskommen, wenn er immer nur gelobt wird.“ In Küblböcks Fall stimmt das: Mit seinen neuen Liedern hätte er es bei „DSDS“ zwar nie in die Finalshows geschafft. Wahrscheinlich hätte ihn Jurymitglied Dieter Bohlen schon in der ersten Runde in Grund und Boden beleidigt. Trotzdem darf man dem Sänger gratulieren. Für seinen Mut und für einige wirklich gelungene, spannende Kompositionen. Auch er selbst scheint froh über seinen Wandel. Und ist positiv überrascht, wer plötzlich alles auf seinen Konzerten auftauche: Schriftsteller zum Beispiel und andere „eher poetische Menschen“.

Die halten sich beim Konzert in der Kulturbrauerei gut versteckt. Aber zumindest ist das Alter der 700 Besucher gemischt, Teenager drängeln sich nur in den ersten Reihen. Und Küblböck bringt die Meisten in der Halle zum Jubeln, Mitsingen, Tanzen. Am Ende klatscht sogar Imke in die Hände. Obwohl die Zugabe nicht „You drive me crazy“ heißt, sondern „Ich bin ein Rebell“.

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