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Berlin: Ausbilder klagen: Schüler können weder rechnen noch schreiben

Vorwurf: Zuviel Spezialwissen, Ausdruck mangelhaftVON ANNETTE KÖGELZum Beginn des neuen Ausbildungsjahres haben Wirtschaftsvertreter neue Konzepte für die schulische Erziehung in Berlin gefordert.Wie eine Tagesspiegel-Umfrage ergab, beklagen Ausbildungsleiter unter anderem mangelnde Rechtschreib- und Rechenkenntnisse bei Jugendlichen.

Vorwurf: Zuviel Spezialwissen, Ausdruck mangelhaftVON ANNETTE KÖGELZum Beginn des neuen Ausbildungsjahres haben Wirtschaftsvertreter neue Konzepte für die schulische Erziehung in Berlin gefordert.Wie eine Tagesspiegel-Umfrage ergab, beklagen Ausbildungsleiter unter anderem mangelnde Rechtschreib- und Rechenkenntnisse bei Jugendlichen.Im Unterricht müßten Lehrer mehr Wert auf die Vermittlung dieser Grundfertigkeiten legen.Zudem sollte verstärkt fächerübergreifend unterrichtet werden.Die Schulverwaltung zeigte sich offen für Anregungen und Kooperation.Unterdessen nehmen Schulpsychologen die Jugendlichen angesichts des gesellschaftlichen Wandels in Schutz. Bei welchen Test-Fragen die Ausbilder den Rotstift zückten, ist nicht genau in Erfahrung zu bringen: Verwaltungen und Betriebe halten die Bögen unter Verschluß.Bei dem Test des Rewe-Konzerns, der dem Tagesspiegel zugänglich gemacht wurde, waren viele Bewerber an dieser Frage gescheitert: "Ein Einzelhändler hat an 6 Tagen in der Woche sein Geschäft geöffnet.Er verkauft täglich 30 Kisten Frischmilch.In jeder Kiste sind 12 Flaschen mit je 0.5 Liter Inhalt.Wieviel Liter Milch verkauft der Händler am Tag / in zwei Wochen?". Beschwerden über "mangelnde mathematische Fähigkeiten" werden auch bei den 70 Mitgliedsverbänden der Unternehmensverbände Berlin / Brandenburg laut, berichtet Sprecher Klaus-Hubert Fugger.Wolfgang Krüger, Leiter der Siemens-Berufsschule, sagt, das Auswendiglernen müsse stärker gefördert werden.Jugendliche würden "zunehmend zu Fachspezialisten erzogen, denen Zusammenhangswissen fehlt".Daher sollten etwa Mathematik und Physik fächerübergreifend unterrichtet werden.Krüger: "Viele Bewerber haben zudem während des Vorstellungsgespräches Probleme, sich auszudrücken und eigene Interessen zu beschreiben." Am Montag gab der Wirtschaftsvertreter dem Lehrerkollegium der Willy-Brandt-Gesamtschule Tips aus der Berufspraxis.An der Spitze der Schulverwaltung zeigt man sich offen für Kritik."Eine Kooperationen zwischen Wirtschaft und Schule ist nötig", so Sprecherin Bettina Martin.Klagen über zu volle Rahmenpläne und gestiegene Anforderungen an die Kinder, wie sie Lehrer äußern, nehme man ernst.Von den Kindern werde heute viel verlangt - früher habe noch kein Grundschüler am Computer gearbeitet."Wir wissen zudem um die Anforderungen aus der Wirtschaft und legen daher Wert auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie Teamgeist und Umgangsformen." Andreas Müller, Bildungsleiter bei Rewe Rüsseina / Berlin, nimmt Kandidaten, die beim Test durchfallen, sogar in Schutz."Die Leute werden ja nicht dümmer geboren.Die Leistungen erklären sich auch durch das Elternhaus: Scheidung, Alkoholmißrauch, Vernachlässigung." Auch die Leiterin des schulpsychologischen Dienstes in Wilmersdorf, Regine Knoblauch, ist der Überzeugung, daß manche Eltern aus beruflichen Gründen mit der Erziehung überfordert sind."Die Kinder kommen schon mit motorischen Schwächen in die Schule, die ihnen das Lesen- und Schreibenlernen erschweren." Der GEW-Vorsitzende Laube weist auf den gesellschaftlichen Wandel hin: "Es wird heute einfach weniger gelesen, und auch Briefe schreiben ist nicht mehr modern." Der Siemens-Vertreter hob Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft vieler junger Leute hervor.Rechnen und Schreiben sei nicht alles: "Wenn jemand auf dem technischen Sektor Schwächen zeigt, aber kommunikativ stark ist und weiß, wo er sich schnell schlau machen kann, ist das für mich der bessere Mann." Für junge Leute wird es indes immer schwieriger, eine Lehrstelle zu ergattern: Bei Schering bewarben sich rund 4000 Jugendliche auf 93 Plätze.

ANNETTE KÖGEL

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