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Hier gelang die Flucht: Die Justizvollzugsanstalt Moabit.

© dpa

Ausbruch aus JVA Moabit: Auch Manipulation ist denkbar

Nach dem Ausbruch von zwei Häftlingen aus der JVA Moabit kann Justizsenator Heilmann nur wenige Fragen beantworten. Vor dem Rechtssausschuss wurden außerdem mehr Details zu der Flucht bekannt - und die schlechte Personalsituation in der JVA kritisert.

Von Sabine Beikler

Nach dem spektakulären Ausbruch von zwei Häftlingen aus der JVA Moabit hatten die Mitglieder des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus am Mittwoch viele Fragen an den Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Auf die Frage, wer versagt hat, sagte Heilmann: „Jede Kombination ist denkbar: technisches Versagen, menschliches Versagen oder Manipulation.“ Die Staatsanwaltschaft ermittelt zurzeit wegen  Verdachts der Gefangenenbefreiung. Eine Untersuchungskommission hat inzwischen auch die Arbeit aufgenommen. Der Bericht soll im August vorliegen.

Die Linke hat den Besprechungspunkt im Rechtsausschuss beantragt. Rechtspolitiker Klaus Lederer fragte, ob es denn schon konkrete Hinweise gebe, wie genau der Ausbruch abgelaufen sei, ob die schlechte Personalsituation im Zusammenhang mit dem Ausbruch stehe. Auch der CDU-Rechtspolitiker Sven Rissmann sagte, es sei „kurios, wie das von vonstatten gegangen ist. Sind die Sicherungsmaßnahmen ausreichend?“ Der SPD-Rechtspolitiker Sven Kohlmeier fragte ebenfalls, ob die beiden Ausbrüche Zufall seien, und was genau versagt hatte, um den Strafgefangenen Metin Müslü, der wegen Mordverdachts seit dem 23. März 2013 in der JVA Moabit untergebracht war, und den Häftling Ulrich Ziegler an der Flucht zu hindern. Ziegler wurde noch nicht rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt und war seit 13. Dezember 2012 in der JVA Moabit untergebracht.

Kommission prüft Verbesserungspotenzial bei den Arbeitsabläufen

Heilmann erläuterte, dass „die Umstände“ der Flucht bemerkenswert seien, man aber nun auf das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen warten müsse. Klar sei, dass eine JVA technisch so gesichert werden müsse, „dass ein Ausbruch gar nicht versucht wird“. Wie der Arbeitsablauf der Bediensteten verbessert werden könne, sei Auftrag der Untersuchungskommission.

Dem auf der Karte eingezeichneten Weg folgten die Häftlinge bei ihrem Ausbruch.
Dem auf der Karte eingezeichneten Weg folgten die Häftlinge bei ihrem Ausbruch.

© Staatsanwaltschaft Berlin

Diese Kommission leitet Ministerialdirigent Willi Schmid aus dem sächsischen Justizministerium. Weitere Mitglieder sind Alois Wosnitzka, Präsident des Amtsgerichts Tiergarten sowie Ingenieur Jürgen Vercrüsse als Spezialist für Bauten im Strafvollzug. Die Kommission arbeitet unabhängig und unterliegt keinen Weisungen.

933 Gefangenen sind mit Stand 21. Mai 2014 in der JVA Moabit untergebracht. Die maximale Belegungskapazität beläuft sich auf 1003. Darunter sind 462 Untersuchungsgefangene und 457 Strafgefangene. Auf die Frage des Grünen-Rechtspolitikers Dirk Behrendt, warum auch mutmaßliche Schwerverbrecher wie Müslü in der JVA Moabit untergebracht waren, antwortete Heilmann, dass man davon ausgehen müsse, dass alle Untersuchungshäftlinge „erhebliche Straftaten“ begangen hätten, so dass man keine Unterscheidung machen würde. „Sonst würden diese auch nicht in einer Justizvollzugsanstalt sitzen“, ergänzte der Justizsenator.

Fehlalarme sind nicht selten

Gero Meinen, Abteilungsleiter Strafvollzug in der Justizverwaltung, erläuterte den Ausschussmitgliedern mit einer Powerpoint-Präsentation ausführlich, welche Sicherheitsmaßnahmen es gibt. Die Außensicherheit der JVA Moabit besteht aus drei Komponenten: eine mechanische Sperranlage, eine detektierte Zaunanlage, die auf Berührungen reagiert und in der Alarmzentrale der Anstalt einen oder mehrere Alarme auslöst, die akustisch und virtuell angezeigt werden. Und es gibt noch eine Video-, Detektions- und Überwachungsanlage, die „bewegliche Objekte“ in bestimmten Abschnitten erfasst und ebenfalls Alarme auslösen kann.

Doch Fehlalarme sind in Justizvollzugsanstalten nicht selten. „Die Geräte können sehr sensibel sein“, sagte Thomas Goiny, Berliner Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, dem Tagesspiegel. Heilmann sagte im Ausschuss, die „Kontrolldichte“ könne bei einzelnen Mitarbeitern herabgesenkt gewesen sein „angesichts der Fehlalarme“. Er könne das menschlich auch nachvollziehen.

Flucht mit Säge und Bettlaken

Die beiden flüchtigen Häftlinge sägten mit einem bisher noch nicht aufgefundenen Sägewerkzeug Teile der Gitter und Vorsatzgitter auf, seilten sich dann mit Hilfe verknoteter Bettlaken und Kleidungsstücken aus den Fenstern im ersten Stockwerk auf den Hof ab. Dann gelangten sie zum E-Flügel mit anschließendem Haupteingangsbereich der Anstalt zur Straße Alt-Moabit. Dort erklommen sie das in vier Meter Höhe gelegene Dach des Haupteingangs, öffneten eine nicht ordnungsgemäß befestigte Zaunmatte soweit, dass sie darunter hindurch kriechen konnten. Anschließend überwanden sie eine weitere vier Meter hohe Zaunmatte mit Nato-Sicherheitsdraht. Und dann waren sie auf dem äußeren Bereich des Dachs, der ausgerechnet zur Sicherheitszentrale gehört. Von diesem Bereich ließen sie sich auf einen Stabstahlzaun herab, der vor der Anstaltsmauer befestigt ist. Diesen Zaun deckten sie zum Schutz vor Verletzungen vorher mit Kleidungsstücken ab. Dann sprangen sie noch gute drei Meter auf die Straße.

In dieser Nacht waren laut Goiny rund 18 Justizvollzugsbeamte in der JVA Moabit im Einsatz. Diese hätten viel zu tun gehabt: Neben randalierenden Häftlingen gab es auch noch einen Suizid. Goiny beklagt die schlechte personelle Ausstattung der Berliner Anstalten. 1800 der 2900 JVA-Bediensteten seien mit Bewachung und Kontrolle beschäftigt. Und bis Ende 2016 sollen 205 Stellen wegfallen. Nach dem Ausbruch in der JVA Moabit hätten sich zehn bis zwölf Kollegen freiwillig aus anderen Häusern gemeldet, die derzeit in der JVA Moabit zusätzlich ihren Dienst tun. „Aber die fehlen natürlich dann in den anderen Anstalten“, sagte Goiny. 

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