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Berlin: Ausgerödelt (Glosse)

Jahrzehnte lang sind wir mit den alten S-Bahnen durch Berlin gerumpelt, ohne zu wissen, warum. Gewiss: Die Holzsitze drückten im Kreuz, und manch einer stand lieber, als diese Art unfreiwilliger Rückenschule mitzumachen.

Jahrzehnte lang sind wir mit den alten S-Bahnen durch Berlin gerumpelt, ohne zu wissen, warum. Gewiss: Die Holzsitze drückten im Kreuz, und manch einer stand lieber, als diese Art unfreiwilliger Rückenschule mitzumachen. Gut, dass die dicken Polster der neuen Züge die harten Zeiten allmählich vergessen lassen; die U-Bahn ist ja schon lange durchgehend gepolstert. Holzklasse? Ein Wort aus der Vergangenheit, nur noch als Metapher tauglich.

Ja, und nun fahren plötzlich U-Bahnen mit Holzbänken durch die Stadt. Brettharte Sitze, ein wenig gerundet, durch je eine Wulst getrennt. Sie sind putzfreundlich und haben nicht diese pluffig schwellenden Polsterformen, die unsere Vandalen so unfehlbar zum kostenträchtigen Schlitzen locken. Grund genug für die Umrüstung? Alles ganz anders. Denn in Wirklichkeit, so lesen wir im Boulevardblatt "BZ", handelt es sich um die "Anti-Anmach-U-Bahn".

Die Anti-Anmach-Theorie besagt, dass die Kerle auf gewöhnlichen Polstern immer nur an das Eine denken: Mit der Nachbarin Hautkontakt aufzunehmen, "ranzurödeln", wie der Experte angeblich sagt. Es heißt, die Holzmulde, die ihren Besitzer unweigerlich in die Mitte zerrt, erschwere dieses Manöver. Ob die Profi-Rödler das auf sich sitzen lassen?

Der nächste Schritt fällt leicht. Wir entfernen die lästigen U-Bahn-Glasscheiben, die ohnehin immer zerkratzt sind und nur den Luftaustausch behindern. Das ist dann selbstverständlich keine Komfortminderung, sondern der zweite Teil der Anti-Anmach-Aktion. Besonders lästige Rödler fliegen dann nämlich einfach raus. Berlin macht an? Damit ist es bald endgültig vorbei.

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