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Berlin: Ausgesprochen frech

Dörthe Dräger und Karen August entwerfen T-Shirts mit Text. Selbst zum Advent fällt ihnen was ein

Von Susanne Leimstoll

Es gibt Adventskalender, die werden am Leib getragen: Für jeden Tag ein Kästchen im Quadrat über der Brust, und die Filzstern-Brosche wandert, je nach Datum, immer weiter Richtung Bauchnabel. Oder: 24 Zahlen durcheinander – ein Suchspiel am Oberkörper. Man kann sich mit dem Aufdruck „Weihnachtsfreunde e.V.“ textil zur eigenen Sentimentalität bekennen, dem Filius auf dem Hemdchen verordnen: „Ich will auch immer artig sein“ oder per Baumwollbeutel drohen: „Keine Socken dieses Jahr“.

Zwei junge Frauen lassen zum Fest solche Sprüche los und drucken sie auch noch auf T-Shirts. Dörthe Dräger, 30, und Karen August, 28, Grafik-Designerinnen mit eigenem Büro namens „Ansichtssache“, machten ein Nebenprodukt ihrer gestalterischen Arbeit zur Geschäftsidee und nannten sie „Textwäsche“. Sie hatten die Worte und die Computertechnik, eine Bekannte die Ausstattung für den Foliendruck: Plotter und Presse. Was als Geschenk für Freunde gedacht war, kam so gut an, dass die Gags in Serie gingen. Dörte und Karin betonten die „Schokoladenseite“, indem sie das Wort an geeigneter Stelle aufs Hemd setzten. Sie schrieben „Hüftgold“ auf den Taillenspeck oder ließen den „springenden Punkt“ übers T-Shirt hüpfen. Sie schufen Paare: Der eine trägt „Ein Herz“ auf dem Oberteil, der andere „Eine Seele“. Oder „unzer“ und „trennlich“ . Inzwischen haben sie T-Shirts zu zwölf Themen im Programm und außerdem beschriftete Taschen, „fette Beutel“. Verkauft werden die übers Internet, individuelle Wünsche berücksichtigt.

Gormannstraße 12 in Mitte, nicht direkt am Hackeschen Markt, aber um die Ecke. Nicht schickimicki, aber eine nette Bleibe. Enger Eingang am restaurierten Altbau, ein paar Stufen führen hinab ins Souterrain-Büro. An der Wand eine Wäscheleine: Da hängen die bunten Sprüche-Shirts, da arbeiten die beiden Grafikerinnen am Bildschirm, zwei, die sich ergänzen. Dörthes Spezialgebiet ist die Bildbearbeitung, Karen ist gut in Layout. Dörthe, sagt ihre Kollegin und Freundin Karen, findet selbst im größten Auftrags-Chaos noch eine Lösung. Karen, sagt Dörthe, ist da penibel, wo sie selbst „die Hälfte versemmeln“ würde. Dörthe ist Ost, aus Ludwigsfelde in Brandenburg, Karen ist West, gebürtige Schönebergerin. Dörthe ist die Laute, Karen die Leise. Vor vier Jahren haben sie sich von der Schule weg selbstständig gemacht. In ihrer Wohnung fingen sie an mit ihrer Agentur, zwei Jahre später lohnte schon das eigene Büro. Der Schritt war für sie keine Frage. „Wir können ein Projekt von A bis Z durchziehen – ohne einen Chef vor der Nase. Alles kommt aus einer Hand“, sagt Dörthe Dräger. Im Kiez haben sie mit Geschäftsleuten ein Netzwerk gegründet, jeder wirbt für den anderen: das Restaurant für den Papierladen, der Chocolatier für die Schmuckdesignerin, die Grafikerinnen fürs Café. Die Ideen gehen ihnen nicht aus. „Unser Traum wäre, dass jemand sagt, ich mache mit eueren Shirts ein Geschäft auf.“

Dörthe trägt heute den Adventskalender in Gold auf Oliv, Karen eine Schlittschuh-Szene auf Hellblau. Beide sagen, sie seien Weihnachtsfans. Bei Dörthe Dräger gibt’s seit 1. Dezember „das volle Programm: Wohnung ausleuchten, Plätzchen backen, schmücken“. Ihr Mann ist verrückt nach dem Fest. Seit gestern darf er sich öffentlich dazu bekennen: Dörthe hat ihm ein Adventskalender-T-Shirt geschenkt – dunkelblau mit weißen Ziffern. Und in Brusthöhe leuchtet rot die 24.

„Textwäsche“, Gormannstr. 12, Mitte (www.textwaesche.de)

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