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Berlin: Ausgestopfter Elefant: Pro & Contra

M ax war bestürzt, als er im Tagesspiegel las, dass Kiri tot ist. Wie konnte das geschehen?

M ax war bestürzt, als er im Tagesspiegel las, dass Kiri tot ist. Wie konnte das geschehen? Wer hatte da nicht aufgepasst? Max, acht Jahre alt, schlief schlecht in der darauffolgenden Nacht. Er kannte Kiri aus dem Zoo, wie viele Kinder in Berlin. Als Max am nächsten Tag erfuhr, dass der kleine Elefant ausgestopft werden soll, war er erleichtert und fand, das sei eine gute Idee. Das Naturkundemuseum kennt er auch, da gehen Kinder gern hin. Vielleicht nicht ganz so viele wie in den Zoo.

Es ist doch wirklich eine gute Idee, Kiris sterbliche Hülle über die nächsten Jahrzehnte zu retten. Wo wäre er sonst geendet: als Kadaver in der Tierkörperbeseitigungsanlage. Und es gibt Vorbilder: das Nilpferd Knautschke, der Gorilla Bobby. Lebensecht schauen sie uns nun an, und wer im Naturkundemuseum die Galerie der präparierten Tierwelt erkundet, absolviert eine interessante Lehrstunde. Das ist kein Friedhofsspaziergang. Man lernt ein Stück Natur kennen, wie es einst war, und kann ehemalige Zoo-Lieblinge begrüßen.

Und bei aller Liebe für niedliche Elefantenbabys: Es sind Tiere. Man kann es abstoßend finden, dass das einst so putzmuntere Kerlchen ausgeweidet und mit Kunststoff in Form gebracht wird. Doch das verletzt nicht die Würde der toten Kreatur. Hier werden schließlich kein Lenin oder Mao aufgebahrt. Die Präparation von Tieren ist ein ehrbares und nützliches Handwerk. Kiri im Museum ist besser als gar kein Kiri. Noch ein Tipp: Vielleicht spendiert der Zoo ein Video des lebenden kleinen Elefanten, das in der Ausstellung abgespielt werden könnte. Multimedia finden Kinder prima. Ulrich Zawatka-Gerlach

Kiri-Memorial-Videoclips, Kiri-Bilderbücher, Kiri-Plüschelefanten, Kiri-Schnabeltassen. Fanartikel für Jung und Alt. Alles. Aber bitte keine "Dermoplastik". So nennt der Präparator des Naturkundemuseums das, was er mit der sterblichen Hülle des im Zoo verendeten Elefanten anstellen will: Über eine Kiri-Skulptur aus Kunststoff soll die abgezogene Elefantenhaut gespannt werden. Sich zum lebenden Kiri aufdrängende positive Assoziationen verblassen vor dieser Ekel erregenden Vorstellung. Zweifellos war Kiri ein rührendes Tier. Wohl niemand würde es nach seinem plötzlichen Tod vergessen wollen. Im Gegenteil, in vielen wird die Erinnerung an Kiris Kapriolen, sein Spiel mit Bällen und alten Autoreifen, noch lange lebendig bleiben. Wer das Tier in den neun Monaten seines allzu kurzen Lebens nicht im Zoo besucht hat, wird dies womöglich ewig bereuen. Aber in einem Jahr, wenn das ausgestopfte Tier erstmals im Museum gezeigt wird, dorthin pilgern, um "Kiri" in einer Vitrine stehen zu sehen? Kein Interesse. Das wird nicht der Kiri sein, den wir kannten. Für die, die ihn nicht kannten, kommt hoffentlich bald ein neues Elefantenbaby zur Welt. Es ist ja nicht so wie im 19. Jahrhundert, als Tierplastiken zu Schauzwecken noch den Sinn hatten, uns mit exotischen Arten vertraut zu machen. Zumal Kiri ja nicht der erste verewigte Jungelefant wäre. Da gibt es noch die Orje-Plastik von 1936 vor dem Elefantenhaus. Mittlerweile sind die Konservierungstechniken ohnehin lebendiger, pietätvoller und appetitlicher geworden. Spätestens zu Weihnachten 2001 sollte ein großer Kiri-Bildband herauskommen, gerne auch mit beigelegter interaktiver CD-Rom. Amory Burchard

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