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Ausländerbehörde: Mogelei mit Papa

Immer wieder werden Abschiebungen durch Scheinvaterschaften verhindert. Schätzungsweise 360 Fälle gibt es in Berlin. Die Behörden sind dagegen machtlos.

Von Fatina Keilani

Im Behördenjargon sprechen manche schon von „Imbissvaterschaften“. Denn an der Bierbude trifft man die künftigen Väter mit hoher Wahrscheinlichkeit an: Trinker, Obdachlose, Sozialfälle. Sie haben nichts als ihre deutsche Staatsbürgerschaft – und die macht sich dann bezahlt. Mit 5000 bis 10 000 Euro kann jeder von ihnen rechnen, der das Kind einer Ausländerin als seines anerkennt, um ihr damit den Verbleib in Deutschland zu ermöglichen. Solche Scheinvaterschaften sind in Berlin seit Jahren ein Problem.

Derzeit liegen den Bezirken 360 Verdachtsfälle für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vor. Das geht aus der Antwort von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage hervor. In 148 Fällen wurden Verfahren eingeleitet, um die Vaterschaft anzufechten. Die meisten Verdachtsfälle gibt es in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf, die meisten Anfechtungsverfahren führt Neukölln. Schon jetzt steht fest, dass kaum eines davon erfolgreich sein dürfte.

„Um es gerichtsfest zu machen, müsste unsere Behörde ermitteln, aber das kann sie nicht – weder personell, noch ist sie rechtlich dazu ermächtigt“, sagt der Neuköllner Stadtrat Falko Liecke (CDU). Er befasst sich mit dem Thema seit Jahren. „Vor 2008 konnte man die Vaterschaft gar nicht anfechten, seit einer Gesetzesänderung geht das – das ist immerhin ein Fortschritt“, sagt Liecke.

Voraussetzung für die Anfechtung sei neben der fehlenden biologischen Vaterschaft auch eine mangelnde sozial-familiäre Beziehung. Das müsste die Behörde nachweisen. Sieht der Mann das Kind regelmäßig? Bringt er es zur Schule? Vom Schreibtisch aus ist das nicht zu machen. Liecke fordert deshalb, dass Jugend-, Sozial- und Standesämter eine gemeinsame Ermittlungsgruppe bilden. Bisher scheitert dies unter anderem am Datenschutz.

Noch lieber sähe es Liecke ebenso wie die meisten anderen Stadträte, wenn die Ausländerbehörde die Fälle wieder zentral verfolgen würde. Das aber will der Senat nicht. Zu den Gründen war am Donnerstag keine Stellungsnahme zu bekommen. Der Senat erließ erst im Dezember eine Verordnung, die den Bezirken die Zuständigkeit zuweist. Ihnen übersendet die Ausländerbehörde verdächtige Fälle. „Wir sind der Bezirk, der die meisten solcher Akten bekommt“, sagt Christian Gräff (CDU), Stadtrat in Marzahn-Hellersdorf. Derzeit sind es 79 Verdachtsfälle, meist seien Vietnamesinnen betroffen. „Wir bemühen uns um saubere Recherche zum Wohle des Kindes“, sagt er. „Aber um investigativ vorzugehen, haben wir weder Zeit noch Ressourcen.“ Katrin Framke (Linke), Stadträtin in Lichtenberg, hat das gleiche Problem. „Im vergangenen Jahr hatten wir 65 Fälle“, sagt sie. Entschieden werde nach Aktenlage. „Knapp die Hälfte wurde angefochten.“ Es gebe bisher kein einziges rechtskräftiges Urteil.

Laut Gesetz ist Vater eines Kindes auch „der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat“. Als der Gesetzgeber diese Regelung traf, dachte er nicht an Missbrauch – wer will schon Unterhalt für ein fremdes Kind zahlen? Die armen Schlucker an der Bierbude sind in diesem Punkt fein raus: Solange bei ihnen nichts zu holen ist, sind sie auch keinen Unterhaltsansprüchen ausgesetzt.

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