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Großeinsatz. Beamte eines Spezialeinsatzkommandos der Berliner Polizei sichern den Tatort an einer stark befahrenen Kreuzung weiträumig. Foto: Steffen Tzscheuschner (ABIX)

© ABIX

Berlin: Ausnahmezustand in Zehlendorf

Täter nahm Geisel in Filiale der Deutschen Bank. Er forderte Geld und freies Geleit. Die Polizei verhandelte bis in die Nacht.

Es ist einer der dramatischsten Banküberfälle in Berlin seit vielen Jahren. Nachdem am Freitagnachmittag ein Mann eine Bank in Berlin-Zehlendorf überfallen und einen 40 Jahre alten Angestellten als Geisel genommen hatte, waren hunderte Polizisten im Einsatz. Die Geiselnahme dauerte am späten Abend bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch an.

„Der Täter hat sich möglicherweise auf längere Zeit eingestellt“, sagte ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel am Einsatzort. Gleiches gelte für die schwerbewaffneten Beamten, die bei Minusgraden rund um das Gebäude im Einsatz waren. Scharfschützen postierten sich vor der Dorfkirche Alt-Zehlendorf, psychologisch geschulte Beamte verhandelten mit dem Geiselnehmer, der eine große Summe Geld und freies Geleit gefordert hatte. Die Potsdamer Straße und der Teltower Damm – zwei Hauptverkehrsachsen im Berliner Südwesten – wurden weiträumig gesperrt. Der Verkehr und das öffentliche Leben in einem Umkreis von mehr als 500 Metern kamen weitgehend zum Erliegen. Die Wohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft der Bank ließ die Polizei räumen. Die Bewohner mussten bei Freunden oder Verwandten unterkommen. Damit sollte wohl die mögliche Bedrohung durch den Bankräuber eingeschränkt werden, der mit dem Einsatz einer Bombe gedroht haben soll.

Die Polizei versuchte, den Telefonkontakt zum Täter nicht abreißen zu lassen. „Für uns ist so eine Situation eine ganz ernste Sachlage. Das ist gefährlich, was hier passiert“, sagte ein Polizeisprecher am Einsatzort. Die Polizei schätzt den Täter als „irrational“ ein, dennoch hofft man auf eine „konfliktfreie“ Lösung. „Wir verhandeln mit dem Täter und es geht um ein Leben“, sagte ein Polizist.

Vergleichbare Geiselnahmen hat es in den vergangenen Jahren in Berlin nur selten gegeben. Der wohl dramatischste Fall war der Banküberfall der sogenannten Tunnelgangster-Bande vor 17 Jahren. Sechs Männer hatten am 27. Juni 1995 eine Bankfiliale ebenfalls in Zehlendorf überfallen. Vier Täter waren schwer bewaffnet in die Bank gestürmt, hatten Schüsse abgegeben und 16 Geiseln genommen. Neben einem Lösegeld von 17 Millionen Mark (knapp neun Millionen Euro) verlangten sie einen Hubschrauber, Fluchtfahrzeuge und drohten mit Exekution der Geiseln. Diese harrten bis zum Zugriff der Polizei um vier Uhr des nächsten Morgens in Todesangst aus. Währenddessen waren die Täter mit mindestens 16,3 Millionen Mark (gut acht Millionen Euro) unbemerkt über einen zuvor gegrabenen Tunnel verschwunden. Der letzte der Täter wurde erst vor vier Jahren verurteilt, kam aber frei, da er im Libanon und in Schweden in Haft gesessen hatte.

Vor knapp zehn Jahren gab es in Schöneberg eine spektakuläre Geiselnahme in einem BVG-Bus. Der Bankräuber Dieter Wurm hatte am 11. April 2003 mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter in Steglitz eine Filiale der Commerzbank ausgeraubt. Nach dem Überfall war der mehrfach vorbestrafte Gewaltstraftäter in einen Bus der Linie 184 geflüchtet und hatte mehrere Geiseln genommen. SEK-Beamten gelang es nach rund vier Stunden, den Bus nach 30 Kilometern Fahrt zu stoppen und Wurm mit zwei gezielten Schüssen in die Schulter zu überwältigen. Im Januar 2003 beendete die Brandenburger Polizei eine Geiselnahme in einer Wandlitzer Sparkasse unblutig.

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