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Berlin: Außenseiter unter sich

Großer Sicherheitsaufwand beim Auftritt des Rechtspopulisten. Die Polizei hörte zu – und drohte vorsorglich mit Abbruch der Rede

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Große Sicherheitsvorkehrungen für einen umstrittenen Besucher: Schon am Sonnabendvormittag wurde das Hotel Berlin mit Gittern abgesperrt. Der niederländische Rechtspopulist und Islamfeind Geert Wilders war noch früher angereist, die Demonstranten am Lützowplatz bekamen ihn nicht zu Gesicht. Mit einem Fahrzeug der holländischen Botschaft und gepanzerten Limousinen des Landeskriminalamtes wurde der Politiker vom Flughafen abgeholt. Vor dem Hotel in Tiergarten hatten 250 Polizisten keine Probleme, Wilders’ Gegner auf Abstand zu halten. Nur etwa 120 Menschen protestierten gegen den Auftritt des Niederländers. Es blieb alles friedlich, nur gegen einen 55-Jährigen wird jetzt wegen Beleidigung ermittelt.

Interessanter als die Proteste vor dem Hotel war für die Berliner Polizei, ob Wilders bei seiner Rede vor 540 ausgesuchten Gästen die Grenzen der Meinungsfreiheit einhält – oder sie überschreitet. Deshalb war der Justiziar der Polizei im Hotel. Und Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte dem Veranstalter, dem früheren CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz, bereits am Freitag einen Brief zustellen lassen. Mit der Aufforderung, „mäßigend“ auf Geert Wilders einzuwirken, damit dieser nicht gegen deutsches Recht verstoße. In dem Schreiben wurde Stadtkewitz angedroht, dass die Polizei die Veranstaltung notfalls abbrechen werde.

„Volksverhetzung lassen wir uns nicht bieten“, sagte Polizei-Justiziar Oliver Tölle. Weil die Rede im Internet live übertragen wurde, sei damit die Öffentlichkeit hergestellt. Also könne auch der „öffentliche Frieden gestört“ werden, hieß es. Dagegen waren die Organisatoren offenbar der Meinung, dass der seit Monaten vorbereitete Auftritt Wilders’ eine Privatveranstaltung sei. So begründeten sie jedenfalls ihren Entschluss, Vertreter des Tagesspiegels auszusperren. Die Zeitung sei ein „Sicherheitsrisiko“, ließ Stadtkewitz kurz vor Beginn der Veranstaltung ausrichten, weil der bis zuletzt geheim gehaltene Ort – das Hotel Berlin – über deren Berichterstattung vorzeitig bekannt geworden sei. Dies habe, so die Organisatoren, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen notwendig gemacht, und der Tagesspiegel habe sich damit „diskreditiert“.

Schon eineinhalb Stunden vor Beginn stellten sich die geladenen Gäste, die jeweils 15 Euro Eintritt zahlten, im Foyer des Hotels geduldig in die Schlange. Jeder bekam ein Armband, private Sicherheitskräfte unterzogen alle Besucher einer Leibesvisite wie auf dem Flughafen. Ein Besucher lobte den hohen Sicherheitsaufwand und auch die beachtliche Polizeipräsenz vor dem Hotel. „Das haben die wirklich gut gemacht.“ Alte und Junge kamen, um Wilders zu hören. Im Anzug und Kostüm die einen, die anderen in Jeans und mit bunter Mütze. Vor dem Hotel skandierten die Demonstranten: „Kein Podium für Rassisten“. Auf Transparenten stand: „Wilders: Eine Schande für die Niederlande“. Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, sagte auf der Kundgebung, es sei skandalös, dass das Hotel Berlin nicht nein gesagt habe zu dieser Veranstaltung. „Das Hotel zieht damit die ganze Stadt in den Dreck.“ Rechtspopulistische Entwicklungen wie in den Niederlanden dürfen nicht zulassen werden, forderte das Bündnis „Rechtspopulismus stoppen“, das den Protest organisierte.

Bevor die Veranstaltung um 14 Uhr losging, verkündete der Veranstalter Stadtkewitz den Journalisten schon mal, dass der Islam „nicht kompatibel mit unserer Gesellschaftsordnung“ sei. Probleme gebe es ausschließlich mit moslemischen Migranten. Der frühere CDU-Politiker und Gründer der „Partei für mehr Freiheit und Demokratie“ betonte, dass er viele Übereinstimmungen entdeckt habe zu den Ansichten Wilders. Der Gast aus den Niederlanden wiederum machte deutlich, dass er die Aktivitäten der in Berlin gegründeten Freiheits-Partei politisch unterstützt. Auch Deutschland brauche eine Bewegung, die die „nationale Identität des Landes verteidigt“ und sich der „Islamisierung“ entgegenstelle, sagte Wilders in seiner Rede, die im Internet etwa 1500 Interessenten mithörten.

Der Islam breite sich „durch Einwanderung“ aus, sagte der Politiker, der in den Niederlanden bereit ist, eine konservative Minderheitsregierung zu unterstützen. Der Westen habe keine Strategie, wie damit umzugehen sei, Bundeskanzlerin Merkel warf er vor, einer Islamisierung Deutschlands tatenlos zuzusehen. Wilders stellte sich auch hinter den Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin und dessen umstrittenes Buch. Die breite Diskussion über dessen Thesen sei Ausdruck dafür, „dass Deutschland mit sich ins Reine“ komme. Die 540 geladenen Gäste, die nach Mitteilung der Organisatoren aus ganz Deutschland angereist waren, dankten es ihm mit Jubelrufen. Offenbar brachte Wilders auch Anhänger aus dem eigenen Land mit. Vor dem Hoteleingang stand ein Reisebus aus den Niederlanden. In seiner Heimat muss sich der Rechtspopulist übrigens vor Gericht wegen des Verdachts der Volksverhetzung verantworten. Am Montag beginnt in Den Haag die Hauptverhandlung. Unter anderem hatte der 47-jährige Begründer der „Partei für Freiheit“ den Islam als „faschistisch“ und als „kranke Ideologie“ bezeichnet.

„Wilders ist nicht willkommen in Berlin“, erklärte die SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert. Ansonsten zogen es die Berliner Politiker vor, den Auftritt stillschweigend zu übergehen.

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