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Ausstellung: Hitler hinter Glas

Im Deutschen Historischen Museum rückt eine Ausstellung erstmals Adolf Hitler in den Mittelpunkt. In der Schau "Hitler und die Deutschen" soll aber kein Personenkult, sondern kritische Auseinandersetzung mit der Führerverehrung betrieben werden.

Noch hat die Ausstellung kaum jemand gesehen – dennoch dürfte sie in diesen Tagen zum Politikum werden. Unter dem Titel „Hitler und die Deutschen“ wird der Diktator in einer Schau im Deutschen Historischen Museum (DHM) in den Mittelpunkt gestellt. Dazu gehört auch die Ästhetik der nationalsozialistischen Selbstinszenierung: Zu den Objekte zählen etwa Lampions mit Hakenkreuzen, NS-Kartenspiele und propagandistische Wandgemälde.

„Es geht nicht darum, einen Devotionalienhandel für Hitlerianer aufzumachen“, sagte Museumssprecher Rudolf Trabold. Er sei sich bewusst, dass das Museum mit der am kommenden Freitag eröffnenden Ausstellung „Hitler und die Deutschen“ an historischer Stelle ein sensibles Thema berühre – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zeughaus, wo 1943 ein Attentat auf Hitler scheiterte. Grundsätzlich aber, da ist sich Trabold sicher, dürfe man eine Ausstellung über den NS-Führer machen. Wichtig sei, ihn im Kontext jenes Volkes zu zeigen, das ihn erst zu einem solchen machte. Immer wieder soll daher die Großartigkeit des nationalsozialistischen Hitlerbildes mit den Verbrechen des NS-Regimes verschnitten werden. „Mit Brechungen kriegen sie jeden falschen Mythos in den Griff“, sagte Trabold. „Hier wird wissenschaftlich gearbeitet und aus dieser Warte geht es uns darum, ein Thema, das durch das Internet sowieso omnipräsent ist, audiovisuell aufzubereiten.“ Die Ikonografie des Verführers dürfe nicht denjenigen überlassen werden, die ihn und die Ästhetik seiner Herrschaft bis heute glorifizieren.

Gelassen sieht Levi Salomon, Beauftragter der Jüdischen Gemeinde zur Bekämpfung des Antisemitismus, die Ausstellung: „Wir brauchen viele Formen der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.“ Ein Urteil über die Qualität der Schau könne er aber erst nach einem Besuch abgeben. Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam sagte, er gehe davon aus, dass die Veranstalter mit dem nötigen Fingerspitzengefühl vorgegangen seien. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand lasse sich einiges über die Person Adolf Hitler zeigen, was vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Ein solcher Prozess der Historisierung sei nicht ungewöhnlich.

Ärger mit Autonomen dürfte das DHM nicht bekommen. Aus der linksradikalen Szene hieß es am Montag: „Solange sogenannte Nachrichtensender stundenlang über das Liebesleben von Hitler berichten, ist eine solche Ausstellung unerheblich.“ Skeptisch ist der Berliner Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Hans Coppi. Er bezweifle, ob die Ausstellung tatsächlich einen großen aufklärerischen Nutzen haben werde. Über Hitler sei viel gesagt und geschrieben worden – auch Überflüssiges. Der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux wünscht sich eine „sachgerechte Auseinandersetzung“ mit dem Thema und der Person Hitler. Sollten Rechtsextreme versuchen, sich die Ausstellung zunutze zumachen, sei ein rigoroser Einsatz nötig, auch durch die Polizei.

Dass es zu einer ungewollten Heldenverehrung durch Neonazis gar nicht kommen kann, glaubt Kurator und Ausstellungsgestalter Klaus-Jürgen Sembach: „Ich habe sieben Büsten in eine Vitrine gequetscht – es wird schwierig, sich daneben in heldenhafter Pose fotografieren zu lassen.“ An anderer Stelle werde etwa ein NS-Propagandagemälde nur hinter einer Glasscheibe gezeigt, auf der Aussagen Hitlers konterkariert würden. Auf diese Weise werde zwar nicht das Selbstbild des NS-Führers komplett zerstört, aber der Blick auf dessen Inszenierung gebrochen. Niemand könne sich in der Ausstellung dem ästhetischen Kosmos des nationalsozialistischen Systems hingeben, hieß es am Montag.

Auch die Polizei scheint sich angesichts der bevorstehenden Eröffnung keine Sorgen zu machen: Besondere Maßnahmen für die Ausstellung seien nicht geplant, sagte ein Sprecher. Ohne speziellen Schutz kommt heute auch das Wachsfigurenkabinett bei Madame Tussauds aus. Zwar wurde dort bei der Eröffnung im Juli 2008 einer Hitler-Figur von einem Besucher der Kopf abgeschlagen, seitdem sei jedoch nie wieder etwas derartiges vorgefallen, sagte eine Madame-Tussauds-Sprecherin. Im Gegenteil: „Wir haben sehr, sehr viel Unterstützung bekommen, auch vom Zentralrat der Juden in Deutschland.“

Eine Einschränkung hat die Freiheit, Hitler zu zeigen, aber auch bei Madame Tussauds nach wie vor: Niemand darf sich mit der Figur fotografieren lassen – die Angst vor Missbrauch durch rechtsextreme Besucher ist auch in der populären Schau groß.

Umso besorgter müssten eigentlich die Wissenschaftler im Deutschen Historischen Museum sein. Doch hier zeigt man sich erstaunlich entspannt – und ist sich sicher: „Die Türschwelle zu herkömmlichen Museen überschreiten Neonazis nicht“, sagte Kurator Hans-Ulrich Thamer. Und auch DHM-Sprecher Rudolf Trabold hätte mit solchen Besuchern offenbar kein Problem – im Gegenteil: „Wir müssen sogar hoffen, dass sie kommen, und sich mit dem, was wir vorstellen und wie wir es vorstellen, auseinandersetzen.“

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