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Ausstellung: Schick, schön, sauteuer: Der Mythos Prenzlauer Berg

Besser wird’s nicht mehr: Der soziale Wandel in Prenzlauer Berg ist abgeschlossen. Was hat er gebracht? Eine Diskussion über 20 Jahre Gentrifizierung.

Von David Ensikat

Tom Sello hat sich abgefunden mit den Verhältnissen. „Ich finde die Entwicklung wunderbar. Ideal für mich.“ Er ist hier sehr allein. Donnerstagabend im Museum Pankow, „Mythos Prenzlauer Berg“ heißt die Veranstaltung, und es geht um die Verwandlung des Bezirks vom Arbeiterquartier zur Yuppiemeile. Und sowohl die anderen auf dem Podium als auch die im Publikum sehen die Sache eher kritisch. Kein Yuppie weit und breit.

Man kann auch nicht sagen, dass Tom Sello einer wäre, auch wenn er die Haare schon mal länger trug. Eine Kaufwohnung in seiner Gegend könnte er sich kaum leisten. Er ist Vergangenheitsaufarbeiter bei der Robert-Havemann-Gesellschaft.

Inzwischen hätte er es auch sehr schwer, eine bezahlbare Mietwohnung in seinem Kiez zu finden. Dennoch freut er sich, dass es so gekommen ist, „alles schick und schön“. Die Rolle des Buhmanns spielt er offensichtlich gern, zum Glück, denn irgendjemand muss doch auch mal sagen, dass intakte Häuser besser sind als die zerbröselnden, und dass das Geld für die Reparaturen vor 20 Jahren irgendwoher kommen musste – seinetwegen aus dem Westen, wenn es im Osten keines gab.

Nur die schönen politischen Ziele der neunziger Jahre, „behutsame Stadterneuerung“, „sozialverträglicher Wandel“ wurden weit verfehlt, so viel ist sicher. Wolfram Kempe ist einer, dem man die anarchistische Vergangenheit – die er mit Sello teilt – noch etwas mehr ansieht. Als Bezirkspolitiker von der Linken hat er die Sanierungspolitik aktiv verfolgt. Er sagt, dass man einen Einwohneraustausch von 50 Prozent für normal gehalten hätte, damals, als die „Sanierungsgebiete“ ausgerufen wurden.

Gerade einmal 20 Prozent der alten Einwohner seien aber da geblieben, der Rest vertrieben. „Ihr von der PDS seid doch selber schuld“, ruft es aus dem Publikum, „ihr wart doch lange an der Macht!“ „Ach“, sagt Kempe da, „die Gestaltungsmacht der Politik wird gerne überschätzt.“ Was sollen Politiker denn machen, wenn Gerichte die Mietobergrenzen verbieten?

So hetzt Berlin gegen Schwaben:

Wenn die ehedem kommunalen Häuser an die alten Eigentümer zurückgegeben wurden und die Wohnungen schließlich der Profitmaximierung dienten? Blauäugig seien alle gewesen, damals und heute klüger.

Früher lag der Durchschnittsverdienst der Kiezbewohner bei 70 Prozent dessen, was die Berliner verdienten, heute bei 140 Prozent.

Andrej Holm, Soziologe und Experte in Gentrifizierungsfragen hat die Zahlen zum mulmigen Gefühl, dass Stadt und Staat viel Geld ausgegeben und nichts „Sozialverträgliches“ erreicht haben. Ein Drittel der Sanierungskosten hätten die Hauseigentümer geschenkt bekommen, sei es als Fördergeld oder als Steuervergünstigung. Die gesamten Kosten bekämen sie über die Mieten aber locker wieder rein. Und nun soll man sich einmal ansehen, wer inzwischen in Prenzlauer Berg wohnt: Früher lag der Durchschnittsverdienst der Kiezbewohner bei 70 Prozent dessen, was die Berliner verdienten, heute bei 140 Prozent! „Ein Modellfall für die Wirkung staatlichen Handelns“, nennt das Holm.

Im April demonstrierten die Bewohner gegen Gentrifizierung und steigende Mieten:

Und was soll werden? „Besser wird es nicht“, antwortet der Soziologe, „auf keinen Fall billiger.“ Die Gentrifizierer von gestern werden ein paar kleine Schlachten gegen die Gentrifizierer von morgen schlagen, da geht’s um Bäume oder Townhouses, der soziale Wandel sei aber weitgehend abgeschlossen. Dann lässt er den Blick nach Schwabing schweifen, ins Münchner Prenzlauer Berg der siebziger Jahre. Damals gab es dort auch viele junge, hippe Leute mit Kindern und guten Jobs. Heute ist das ein vergreister Bezirk und immer noch sauteuer. Die Prenzlauer Berger können sich also freuen: Der Lärm auf den Spielplätzen wird nachlassen. Hoffen sollten sie auf eine ausreichende ärztliche Versorgung. Der Katalog zu der Ausstellung mit dem Titel „Gegenentwürfe. Der Prenzlauer Berg vor, während und nach dem Mauerfall“ ist gerade erschienen, 139 Seiten, 17,90 Euro.

Die Ausstellung ist zu sehen im Museum Pankow, Prenzlauer Allee 227/228. Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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