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Die Zahl der Autoeinbrüche in Berlin ist auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Jeden Tag werden etwa 100 Wagen aufgebrochen. Die Polizei ist nahezu hilflos - die Täter können in den wenigsten Fällen ermittelt werden.

© Polizei Berlin

Autoeinbrüche in Berlin boomen: Und wer zahlt mir jetzt mein Navi?

Die Kriminalität in Berlin nimmt zu wie seit Jahren nicht – früher musste dafür der Innensenator geradestehen. Heute heißt es, das liege am Wetter. Und nach dem zweiten Autoeinbruch binnen kurzer Zeit wird unserem Autor auch noch die Haftpflicht gekündigt.

Auch Verbrecher haben Namen. Berlins gefährlichster Verbrecher heißt Wetter, mit vollem Namen: schönes Wetter. Das will einem zumindest die Berliner Polizei weismachen. Besonders im März war der Schönwetter-Verbrecher mächtig aktiv. Wohnungseinbrüche: plus 24 Prozent, Fahrraddiebstähle: verdoppelt, Taschendiebstähle: plus 68 Prozent, Sexualdelikte: plus 40 Prozent, Drogendelikte: plus 25 Prozent und Baustelleneinbrüche: plus 70 Prozent. Den Täter hat die Polizei zwar noch nicht geschnappt, dafür aber alle Hintergründe glasklar kombiniert wie Sherlock Holmes: Weil vor einem Jahr im März noch 20 Zentimeter Schnee lagen, während es 2014 schon frühlingshaft mild war, fühlten sich heuer auch die Verbrecher zu ihrem bösen Tagwerk besser animiert. Nix mit Winterpause, sondern Frühlingsoffensive – da kann man nichts machen, soll das wohl heißen.

Hallo, liebe Polizei, geht’s noch? Es soll mal Zeiten gegeben haben, da war die Polizeistatistik die Nagelprobe für Berliner Innensenatoren, ob sie ihrem Amt noch gewachsen waren. Lange her; muss irgendwann vor dem Klimawandel gewesen sein. Zumindest der derzeitige Innensenator Frank Henkel (CDU) müsste sich aber noch erinnern, mit welch bärbeißiger Verve er seinen sozialdemokratischen Vorgänger Ehrhart Körting bei der Vorlage der Polizeistatistik attackierte und ihm bei steigenden Deliktzahlen komplettes Versagen bescheinigte. Das Wetter verantwortlich zu machen für mehr Straftaten – das hätte sich Körting nicht mal zu denken gewagt. Weil er sonst in der Luft zerrissen worden wäre. Zu Recht übrigens. Jetzt dagegen ist dazu von Senator Henkel nichts zu hören, und auch der Koalitionspartner SPD schweigt höflich. Dabei ist die Zahl der Straftaten 2013 erstmals seit 1995 wieder auf über eine halbe Million angestiegen – genau 503 165 Straftaten wurden gezählt.

Auf der Polizeiwache wird nur maliziös geschmunzelt

Dumm nur, wenn man selbst zu den Opfern gehört. Vielleicht werden die sich demnächst auf der Polizeiwache sagen lassen müssen: Selbst schuld, bei dem schönen Wetter sollten Sie eben besser aufpassen. Schon heute wird man in einem innerstädtischen Polizeiabschnitt nur maliziös angelächelt, wenn man das aufgebrochene Auto melden will. Lassen Sie mich raten, antwortet ein froh gelaunter Beamter: Audi? Treffer! Von seinen Kollegen in der Wachstube erntet der Polizist ein anerkennendes Schmunzeln – auf meine Kosten. Wer den Schaden hat, muss sich um den Spott nicht sorgen. Als sei man selbst dafür verantwortlich, dass einem innerhalb von drei Monaten zum zweiten Mal die kostspielige und fest eingebaute Mediaeinheit mit Radio, CD-Player und Navigationsgerät vor der Haustür gestohlen wurde. Autoeinbruch boomt in Berlin: Jeden Tag werden 100 Fahrzeuge geknackt – und vorzugsweise die Navigationsgeräte geklaut. Aufklärungsquote: magere 9,7 Prozent.

Der Beamte auf dem Polizeiabschnitt gibt sich deshalb erst gar keine Mühe, irgendwelche Hoffnung aufkeimen zu lassen, man könne die Täter ermitteln. Angesichts von so viel Anteilnahme nimmt man lieber gleich Abstand von dem Vorschlag, die Polizisten könnten doch eventuell nachts häufiger mal nach dem Rechten schauen.

Und der Kfz-Haftpflicht braucht man mit schönem Wetter gar nicht zu kommen. Die Versicherung kündigt einem doch glatt nach dem zweiten Einbruch die Police – weil die Schadensprognose sich nicht günstig entwickelt habe, wie lapidar mitgeteilt wird. Wer soll das noch verstehen? Schließlich zahlt der Berliner Autofahrer im Regionalvergleich doch schon gerade deshalb eine erhöhte Prämie, weil die an der Spree gehäuft auftretenden Autodiebstähle und Kfz-Einbrüche berücksichtigt werden. Und tritt dann der mit Risikozuschlag abgesicherte Schadensfall ein, wird man trotzdem rausgeworfen und muss sich eine andere, natürlich teurere Versicherung suchen. Muss ich das hinnehmen?

Die dürfen das, meint der Anwalt. Wenn das so ist, dann darf ich auch den Innensenator auffordern: Frank Henkel, übernehmen Sie meine erhöhte Versicherungsprämie! Zahlen Sie mir ein neues Navi! Oder sorgen Sie wenigstens für schlechtes Wetter!

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