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Berlin: Autofreier Sonntag: Beim Fest der "Grünen Liga" Unter den Linden war nicht alles öko

Ein umweltfreundliches Volksfest im Rahmen der Sternfahrt Unter den Linden sollte es sein, mit wenig Müll und vielen Produkten aus art- und naturgerechter Erzeugung. Und dann stehen da tatsächlich ein paar Händler, die Cola und Bier in Dosen verkaufen, und bei denen mehr als zweifelhaft ist, ob das Fleisch für die Bratwurst von ökologisch aufgewachsenen, glücklichen Schweinen kommt.

Ein umweltfreundliches Volksfest im Rahmen der Sternfahrt Unter den Linden sollte es sein, mit wenig Müll und vielen Produkten aus art- und naturgerechter Erzeugung. Und dann stehen da tatsächlich ein paar Händler, die Cola und Bier in Dosen verkaufen, und bei denen mehr als zweifelhaft ist, ob das Fleisch für die Bratwurst von ökologisch aufgewachsenen, glücklichen Schweinen kommt. Während das der Stimmung unter den Besuchern keinen Abbruch tat, ist Gabriele Kuczmierczyk ziemlich sauer. "Von uns haben die ihre Genehmigungen nicht bekommen", sagt die Pressesprecherin der Grünen Liga. "Und alle Behörden wissen seit einem Jahr, dass das hier ein ökologisches Fest werden soll."

Den Gästen - der Bekleidung nach zu schließen, waren die meisten mit dem Sternfahrt-Pulk der Radler gekommen - sind die Reibereien im Hintergrund einerlei. "Die Linden mal ganz ohne Autos, das finde ich toll", sagt eine ältere Frau, die wohl kaum zu den militanten Öko- und Anti-Auto-Aktivisten gehören dürfte. Und die Träger vonVersace-Tops stehen friedlich neben den Festbesuchern mit "Nordtangente Nein Danke"-T-Shirts. Beim Feiern gibt es keinen Disput: Wenn mal ein Stück Kuchen in Alufolie eingepackt wird, macht niemand ein Drama draus. Gabriele Kuczmierczyk ist dennoch unzufrieden. "Wer über die Grüne Liga einen Stand wollte, musste nachweisen, dass er beim gemeinsamen Spülmobil mitmacht", sagt sie. Und da das Spülen Geld kostet, und das Tellerpfand für manchen Besucher ein bisschen aufwendig und ärgerlich ist, können die "Öko-Abtrünnigen" ihre Waren billiger und bequemer anbieten.

Viele der Gäste wissen aber genau, was sie von einem Ökomarkt zu erwarten haben. Da wird schon mal nachgefragt, ob der Rhabarber im Kuchen wirklich aus kontrolliert biologischen Anbau kommt. Besonders groß ist der Andrang bei den Ständen mit Gemüsebratlingen und Vollkorn-Croissants. Doch auch andere Stände, die das alternativere Publikum ansprechen, sind gut besucht. Räucherstäbchen und guatemaltekische Baumwollmützen, Hanfbier und keltische Amulette stehen hoch im Kurs. Die Palette der vertretenen Organisationen reicht vom Nichtraucherbund über Gegner von Massentierhaltung bis zur Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die einen Luftschadstoff-Messwagen vorstellt.

Auch Angebote für Kinder gibt es auf dem Volksfest. Alternative Spielplätze bestehen aus Naturholz-Karussells mit Handkurbelantrieb - so manch ein Familienvater kam nach 18 Kilometern körperlicher Bewegung vom Wannsee bis zum Brandenburger Tor, nochmals ins Schwitzen. Die Polizei hat auf der Kreuzung Unter den Linden / Charlottenstraße einen kleinen Fahrrad-Geschicklichkeitsparcours aufgebaut. Der Hit unter den jüngsten Marktbesuchern sind aber ein paar große Strohballen zum Herumtollen.

Und dann ist da noch ein überzeugter Verkäufer von Dinkelspreukissen nach Hildegard von Bingen. Ein sanfter Mann in ungebleichten Öko-Klamotten. Die Dinger knistern - natürlich - bei jedem Umdrehen wie verrückt. Die Kunden müssten "mitarbeiten", die "richtige Stützhöhe ermitteln" und ernsthaft gewillt sein, die Geräusche als schlaffördernd aufzufassen. Sagt der Mann. Und wenn sich nach vier Wochen keine Zufriedenheit einstellt, "können wir das Finanzielle ausgleichen." "Soll das heißen, ich kriege mein Geld zurück?", fragt eine nicht ganz so sanfte Kundin. "Ja, aber den Schlaf können wir Ihnen nicht zurückgeben", sagt der Verkäufer. "Für das Kompostieren sind Sie auch selbst verantwortlich."

Jörg-Peter Rau

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