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Ayhan Sürücü: "Kleiner Haftaufschlag" für Fluchtversuch

Nach dem so genannten Ehrenmord an seiner Schwester Hatun hat das Amtsgericht Tiergarten ihren Bruder Ayhan Sürücü zu weiteren drei Monaten Haft verurteilt. Er wurde wegen Gefangenenmeuterei, gefährlicher Körperverletzung und Drogenbesitzes bestraft.

Berlin - Nach der vor fast genau einem Jahr verhängten Jugendstrafe wegen Mordes von neun Jahren und drei Monaten muss der heute 21-Jährige nunmehr neuneinhalb Jahre Haft verbüßen. Der "kleine Haftaufschlag" sei angemessen, um dem Angeklagten "vor Augen zu führen", dass er nach dieser bereits hohen Jugendstrafe in der Haftanstalt nicht machen könne, was er wolle, sagte der Richter. Dem Gericht zufolge standen die Vorfälle im Zusammenhang mit der "Belastungssituation" des damals noch 19-Jährigen in dem Mordprozess. Anfang März vergangenen Jahres hatte Ayhan in der Untersuchungshaft am Rande eines Fußballspiels einem Mithäftling mehrmals mit der Faust ist Gesicht geschlagen. Es sei ein Streit gewesen, aus dem er sich hätte raushalten können, sagte das Gericht.

Anstiftung zum Fluchtversuch

Nur wenige Tage später hatte er Insassen eines Gefangenentransportes auf der Fahrt von der Jugendstrafanstalt Kieferngrund zum Kriminalgericht Moabit zum Ausbruch angestiftet und zu fliehen versucht. Sürücü hatte im Prozess von einem "spontanen Fluchtversuch" gesprochen. Auf dem Weg in die Sammelzelle des Wagens hatte er die Tür einer Einzelzelle geöffnet, was von der anwesenden Justizbeamtin nicht bemerkt worden war. Dem in der Einzelzelle sitzenden Häftling gelang es hierdurch, sich während der Fahrt zu befreien und wiederum die Sammelzelle zu öffnen, in der Sürücü sich befand.

Um die Beamtin abzulenken, habe ein Mitinsasse dann Übelkeit vorgetäuscht, so dass der Angeklagte unbemerkt an der Frau vorbei zur Tür des Gefangenentransporters gehen konnte. Die Flucht scheiterte jedoch, weil Sürücü eigenen Angaben nach "das Risiko zu hoch war", auf der Stadtautobahn bei 120 Stundenkilometern aus dem Fahrzeug zu springen. Außerdem wurde er bestraft, weil bei einer Zellenkontrolle zwei Tütchen Marihuana gefunden wurden.

Freisprüche der Brüder noch nicht rechtskräftig

Der Bruder der ermordeten Deutschtürkin Hatun Sürücü war im Februar 2005 verhaftet worden und sitzt derzeit seine Jugendstrafe in der Haftanstalt Plötzensee ab. Dort hat der 21-Jährige unterdessen eine Tischlerlehre begonnen. "Ich glaube, dass er eingesehen hat, dass er damals Mist gebaut und genau das Gegenteil von dem erreicht hat, was sein Ziel war", sagte sein Verteidiger.

Hatun Sürücü, die 23-jährige Mutter eines Sohnes, war am 7. Februar 2005 von ihrem damals 18 Jahre alten Bruder Ayhan an einer Bushaltestelle in der Nähe ihrer Wohnung in Berlin- Tempelhof durch drei Kopfschüsse getötet worden. Dem Urteil zufolge hatte sich der jüngste Sürücü-Sohn als "Vollstrecker eines selbst gefällten Todesurteils" erhoben, weil er das Leben seiner Schwester als Kränkung der Familienehre empfunden habe.

Den damals mitangeklagten älteren Brüdern Alpaslan und Mutlu war eine Tatbeteiligung am Schwesternmord nicht eindeutig nachzuweisen. Die Freisprüche der Brüder sind noch nicht rechtskräftig. (Von Beatrix Boldt, ddp)

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