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Per Aufforderung. Die betroffenen Potsdamer wurden schriftlich informiert.

© Andreas Klaer

Babymord-Fall in Potsdam: Massenspeicheltest soll Aufklärung bringen

Nach dem Mord eines Neugeborenen im Dezember 2011 geht die Suche nach den Tätern weiter. Nun hat der bisher größte Massenspeicheltest in Potsdams Geschichte begonnen.

Ermittler Carsten Teichert will noch nicht von einer letzten Hoffnung sprechen. „Dieser Speicheltest ist für uns zunächst eine Hoffnung – ob es die letzte ist, kann keiner sagen“, sagte der Polizist am gestrigen Montag. Teichert ist einer der Verantwortlichen für eine breit angelegte DNA-Reihenuntersuchung, bei der zweieinhalb Jahre nach dem Fund einer Babyleiche in Potsdam-West doch noch die Mutter oder der Vater überführt werden sollen. Ermittelt wird wegen Totschlag oder Mord.

Konkret sollen rund 1000 Potsdamer, die zur Tatzeit zwischen 15 und 45 Jahre alt waren und im Umfeld des Tatorts wohnten, ihren Speichel abgeben – ein solcher Massentest ist in der Landeshauptstadt bisher einmalig. „So etwas gab es in Potsdam noch nicht“, bestätigte der Chef der Mordkommission Bernd Schulz den PNN. Mit dem Massentest sollen Mutter und Vater des getöteten Mädchens überführt werden.

Bisher waren die Ermittlungen erfolglos, 83 Hinweise reichten nicht für eine heiße Spur. Auch die ausgesetzte Belohnung in Höhe von 10.000 Euro brachte nicht den Durchbruch – und auch eine erste Massen-Speichelprobe mehrerer Hundert Personen Anfang Dezember 2012 war erfolglos geblieben.

Die jetzt aufgerufenen Bürger sollen ihre Speichelproben im Polizeiquartier in der Henning-von-Tresckow-Straße abgeben. Dazu haben sie in den vergangenen Wochen eine schriftliche Aufforderung von der Staatsanwaltschaft bekommen. „Die Resonanz ist bisher erstaunlich groß“, sagte Schulz. Viele Bürger hätten sich gemeldet, um Informationen zu erhalten oder wegen Urlaubs einen Ausweichtermin zu vereinbaren. Allein diese Woche seien 400 Personen geladen, am Montag kamen bis zum Abend rund 36.

So erschien kurz nach 11.30 Uhr beispielsweise ein 39-Jähriger, der in der Zeppelinstraße wohnt. „Als ich den Brief zur Speichelprobe kam, war für mich klar, dass ich bei der Aufklärung helfen will“, sagte der Mann.

Anwohner zeigen sich kooperativ

In der Familie habe man am Tag der Nachricht von der gefundenen Babyleiche – am 23. Dezember 2011, einen Tag vor Weihnachten – lange zusammengesessen, „debattiert, warum, wieso, weshalb, ohne Ergebnis“. Es sei jetzt noch ein erschreckendes Gefühl, dass so etwas nahe der eigenen Haustür passiert sei. Der Fund hatte tiefe Bestürzung ausgelöst und deutschlandweit Schlagzeilen gemacht.

Die einzelne Probe – der Speichel wird auf ein Wattestäbchen gegeben – dauert dabei je nach Informationsbedürfnis bis zu 20 Minuten, sagte Schulze. Die wichtigsten Informationen für die Untersuchten finden sich in einem Beschluss des Amtsgerichts zur Speichelprobe, den die Polizei ausgehängt hat: So dürfen die mit der Probe entnommenen DNA-Stränge nur für die Ermittlungen zu dem getöteten Baby verwendet werden. „Sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie nicht mehr erforderlich sind“, heißt es in dem Beschluss.

Auch dürften die festgestellten DNA-Muster nicht zur Aufklärung künftiger Straftaten gespeichert werden. Die anonymisierten Speichelproben werden laut Schulz an das Landeskriminalamt nach Eberswalde geschickt und dort untersucht. Um die 70 Euro kostet ein handelsüblicher Speicheltest – etwa wenn es um Vaterschaftsuntersuchungen geht.

Auch das Verbrechen selbst wird mit dem Polizeiaushang noch einmal in Erinnerung gerufen: Die Leiche des Neugeborenen war an jenem Freitag von einem Passanten gegen 9.30 Uhr an einem Garagenkomplex am Bahndamm an der Kantstraße gefunden worden. Laut Gericht sei das Kind in der Nacht zuvor „ohne fachmännische Begleitung“ geboren und anschließend an den Garagen „durch massive stumpfe Gewalteinwirkung“ getötet worden.

Am Tatort seien Spuren gefunden worden, die „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ der Kindesmutter und einer männlichen Person zuzuordnen seien – und zwar an einem Frotteehandtuch, in das der Leichnam des Kindes eingewickelt war. Es sei daher nicht auszuschließen, dass auch der Kindesvater das Neugeborene getötet haben könnte, heißt es in dem Gerichtsaushang.

Dass zum jetzigen Test nur Frauen und Männer kommen sollen, die im Dezember 2011 zwischen 15 beziehungsweise 18 und 45 Jahre alt waren, wird in dem Text mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Phänomen der Neugeborenentötung begründet. Mit derselben Erklärung werden auch nur Männer zwischen 18 und 45 Jahren zur Speichelprobe aufgefordert.

Weiter heißt es, die bisherigen Erkenntnisse „sprechen dafür, dass der Täter aus dem Nahbereich des Tatorts kommt“ – also damals dort auch wohnte.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits angekündigt, dass Personen, die trotz Aufforderungen nicht zur Speichelprobe erscheinen, später als Zeuge vernommen werden können.

Chefkommisssar Schulz: „Es geht uns darum, durch ein Ausschlussverfahren neue Hinweise zur Aufklärung dieser Tat erhalten – und dafür bitten wir die Bürger um Hilfe.“ Er hofft, dass in vier Wochen erste Ergebnisse feststehen.

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