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Berlin: Bären-Skulpturen: Krauses Wachhund ist ein Wappentier

Ihre Aussicht war schon mal besser. Denn einst schauten die beiden Bären aus luftiger Höhe auf Berlin.

Ihre Aussicht war schon mal besser. Denn einst schauten die beiden Bären aus luftiger Höhe auf Berlin. Neben sechs anderen ihrer Sorte zierten sie den Turm des Roten Rathauses. Aber das ist schon 119 Jahre her. Inzwischen bewachen die zwei Berliner Wappentiere ein Mahlsdorfer Grundstück. Es sind wahrscheinlich die einzigen Hinterbliebenen der "Rathausbesatzung" von 1870. Was aus den anderen Bären geworden ist, bleibt ungewiss.

Maria und Georg Krause aus der Grunowstraße konnten das Geheimnis jedenfalls noch nicht lüften. Obwohl sie Nachbarn befragt und einige Veröffentlichungen über die Tiere zusammengetragen haben. "Wir wissen aber, wie die Bären in unseren Garten gekommen sind", erzählt die 60-jährige Mahlsdorferin. Denn als Krauses 1958 das Grundstück kauften, standen die Braunen schon neben der Gartentür: Einbetoniert in einen Betonsockel, ohne Tatzen und mit einer Schusswunde zwischen den Augen.

Der Historiker Harald Kintscher hat die Reise der Bären-Skulpturen verfolgt und aus Archiven und überlieferten Aufzeichnungen einiges zusammengetragen. Demnach war der Rathausauftritt der Tier-Plastiken von kurzer Dauer. Nur von 1870 bis 1882 sollen die 2,50 Meter großen Wappentiere auf dem Backsteinbau gestanden haben. "Das Material hielt der Witterung nicht stand, und der Ton begann zu bröckeln", erzählt der Mahlsdorfer Historiker. So wurden die lädierten Bären entfernt und auf dem Hof gelagert.

Zwei noch recht gut erhaltene Tierskulpturen dienten dann als Vorlage für einen Neuguss. "Diesmal wurde allerdings Sandstein verwendet", sagt Kintscher. 1884 hievte man die Ersatzbären dann auf den Turm. Erst fünf Jahre später sollen in der Müllerstraße wieder vier der Wappentiere aus Ton und zwei Bärenköpfe in Medaillonform aufgetaucht sein. Sie dienten als Zierde für ein Weddinger Restaurant. Doch dann zerstörten Unbekannte zwei der Figuren.

1906 wurde das Weddinger Lokal abgerissen und der Gastwirt Carl Linke holte die beiden Bären und die Medaillons nach Mahlsdorf. Von da an schmückten die jeweils 850 Kilogramm schweren Bären ein Restaurant am Stadtrand, das kurzerhand zur "Gaststätte zu den alten Berliner Rathausbären" umbenannt wurde. Als auch dieses Wirtshaus in den 20er Jahren schließen musste, gelangten die Medaillons in die Heimatsammlung der alten Mahlsdorfer Schule. "Die Bären rückte der neue Grundstücksbesitzer aber nicht raus", sagt der Historiker. Zum Glück, denn in den Nachkriegswirren verschwanden die Medaillons wieder einmal.

Dass sich die Bären-Geschichte wirklich so zugetragen haben soll, bezweifelt Kunsthistorikerin Ingrid Bartmann allerdings. Sie selbst beschäftigt sich seit langem mit der Geschichte des Roten Rathauses und hat auch ein Buch darüber veröffentlicht. Darin berichtet sie unter anderem von der Zerstörung des Baus während des Zweiten Weltkrieges. "In den 50er Jahren wurde das Rathaus wieder aufgebaut und auch einige Bären erneuert", sagt die Mitarbeiterin des Landesdenkmalamtes. Von den Mahlsdorfer Tieren hörte sie zum ersten Mal. Eine kuriose Geschichte", sagt die Kunsthistorikerin. Doch ihr fehlen dafür die Beweise. Anderseits macht sie deutlich, dass es nichts Besonderes sei, wenn desolate Plastiken irgendwann einmal nachgegossen würden. Für das Landesdenkmalamt seien die Bären jedenfalls "kein wichtiger Fall". "In vielen Museen der Stadt lagern ähnliche Reste irgendwelcher historischer Bauten", sagt sie. Doch es gebe weder Platz noch Geld, um die Sachen öffentlich zu zeigen. Nach so vielen Jahren hätten die Bären jedenfalls die Berechtigung, in Mahlsdorf zu bleiben. "Wenn in den zurückliegenden Jahrzehnten niemand Ansprüche erhoben hat, und das scheint so zu sein, gehören sie dorthin", sagt die Historikerin.

Unter Denkmalschutz stehen die beiden Wappentiere tatsächlich nicht. Auch die Leiterin des Marzahn-Hellersdorfer Bezirksmuseums, Dorothee Ifland, meldet keine Ansprüche an. "Die beiden Bären sind schon so lange in der Grunowstraße, und sollten dort bleiben."

Maria und Georg Krause erzählen ihre Bären-Geschichte jedenfalls immer wieder neugierigen Besuchern. Manchmal fragen auch Kinder, ob sie "die Teddys streicheln dürfen". Dann öffnen die Krauses bereitwillig ihr Gartentor. Nur einmal waren die beiden Rentner außer sich vor Wut. Als ein Spandauer die Tiere partout für seine Sammlung kaufen wollte. "Die sind aber einfach unbezahlbar", sagt der 73-jährige Georg Krause und klopft seinem grimmig schauenden Bären-Exemplar liebevoll den Pelz. Den Käufer hat er abgewimmelt.

Fell-Pflege benötigen die Tiere übrigens auch. Krause entdeckt immer wieder neue Risse an den Tieren, die er dann kittet. Spätestens alle fünf Jahre erhalten "Dame" und "Herr" einen frischen, braunen Anstrich. Familie Krause findet es auch gut, dass ihre Bären mit dem Rücken zur Straße stehen. "So können wir ihnen wenigstens immer ins Gesicht gucken. Auch vom Fenster aus."

Steffi Bey

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