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Berlin: Bäumchen wechsle dich

Linde? Ahorn? Platane? Die Straßenbäume leiden unter den Wetterextremen. Exotische Sorten sollen sie ersetzen – dann riecht die Berliner Luft nach Orange.

Berlins Straßenbäume reagieren auf die mitunter extremen Wetterverhältnisse nicht anders als die meisten Menschen: Die einen verkraften Hitze, Kälte, Trockenheit oder Dauerregen besser als andere, die davon sogar krank oder erheblich geschwächt werden. Die Wissenschaft hat das längst erkannt und forscht nach den robustesten Exemplaren unter den Gehölzen. „Wir schauen uns in aller Welt um und stoßen dabei auch auf Exoten“, sagt Matthias Zander von der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität. „Dazu zählen der in den USA beheimateter Milchorangenbaum, der Französische Ahorn, der Kanadische Judasbaum, die nach dem ungarischen König Szent Istvan benannte Linde oder die Spanische Eiche.“ Diese Arten trotzten in ihren Heimatländern Trockenheitsstress, starken Frösten, Streusalz oder Krankheiten. In Laboren, aber auch im Freilandversuch in Großstädten werden die einzelnen Baumarten auf ihre Eignung für Berlin getestet. 80 Sorten aus aller Welt stehen nun zur Auswahl.

Bisher dominiert in der Hauptstadt eindeutig die Linde. Auf sie entfallen nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 156 000 der 440 000 Straßenbäume. Mit weitem Abstand folgen Ahorn (rund 87 000), Eiche (38 000) und Platane (26 000 Bäume). Noch weniger vertreten sind die durch den Kampf gegen die Miniermotte viel beachteten Kastanien, Birken, Weiß- und Rotdorn, Traubenkirsche oder andere Obstbäume.

Vier von zehn Straßenbäumen gelten als ernsthaft geschädigt. In trockenen Sommern mangelt es vor allem an ausreichender Bodenfeuchtigkeit – eine Folge der zunehmenden Versiegelung durch den Bauboom. „Selbst ein Starkregen reicht für genügend Nachschub meist nicht aus, weil das Wasser die Wurzeln gar nicht erst erreicht“, sagt Wissenschaftler Matthias Zander. Deshalb stelle eine zusammen mit ungarischen Kollegen in Budapest über Jahre getestete neue Art der Linde eine Alternative zu den Berliner Bäumen dar. Der Laie, so hebt Zander hervor, werde kaum einen Unterschied zwischen den altbewährten und den neuen Sorten feststellen. Auch exotische Namen täuschten manchmal. Der Milchorangenbaum etwa habe keine Ähnlichkeit mit den mediterranen Orangenbäumen. Tatsächlich wachsen am Milchorangenbaum aber steinartige Früchte, deren Geruch etwas an Orangen erinnert. Da eröffnen sich doch gleich ganz neue Perspektiven für die sprichwörtliche „Berliner Luft“.

Die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler sind vor allem eine Empfehlung für Baumschulen, die sich teilweise finanziell an den Forschungen beteiligen. Die Firmen haben schließlich ein hohes Interesse am Erfolg ihrer Anpflanzungen, für die sie gern eine lange Garantie abgeben und an denen sie entsprechend gut verdienen wollen. Claus-Dieter Steyer

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