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© dpa

Bahnstreik: Anschluss gesucht

So leer wie gestern war der Hauptbahnhof noch nie. Nur wenige Reisende irrten durch die Hallen - und wurden dann mit einem Ersatzbus vertröstet.

"Geschäftsschädigend ist der Streik“, schimpft eine Bäckereiverkäuferin im ersten Stock des Hauptbahnhofs. Es ist der erste Tag des größten deutschen Bahnstreiks aller Zeiten. Der neue Bahnhof ist ein Einkaufszentrum mit Gleisanschluss, habe man oft gewitzelt. "Jetzt fehlt uns der Gleisanschluss. Keine Züge, keine Leute.“ Es sind hier bis zum Vormittag mehr als 80 ausgefallene Züge gemeldet. So dünn besucht ist der Bahnhof noch nie gewesen, fast allen Läden und Geschäften hier fehlt die Kundschaft.

Viele Fahrgäste hatten sich vorab telefonisch oder im Internet informiert, ob und welche Züge ankommen und abfahren. Wie Hans Wallbaum, der geschäftlich nach Leipzig muss und auch sonst viel mit der Bahn unterwegs ist. Eine Stunde vor der angekündigten Abfahrt steht er in der Halle, vorsichtshalber. "Mein Zug ist auf dem Weg.“ Sein Verständnis für den Streik schwinde. "Für mich ist das großes Stressprogramm.“

"Die Bahn wird dafür zahlen!“

Der ICE-Verkehr läuft weitgehend normal, mit Verspätungen. Aber sonst ist nichts normal. Schon die auffällige Stille nicht. Ein Geschäftsmann will mit dem Zug über Dresden nach Prag. Das Servicepersonal verweist ihn auf einen Ersatzbus nach Dresden. "Ich muss das Hotel in Prag stornieren“, schimpft der Mann. "Die Bahn wird dafür zahlen!“ Aber meist ist die Stimmung gelassen, mitunter fast heiter. Bahnleute schenken heißen Kaffee und Tee aus, Servicepersonal schlendert durchs Haus, gibt Auskünfte oder verweist auf das Reisezentrum. Und immer wieder sind Durchsagen zu hören, aber nicht zu verstehen. Ganz oben, im Hallendach, muss eine defekte Glasscheibe repariert werden, ein Teil der Halle ist deshalb abgesperrt, Arbeiter turnen gefährlich auf dem Dach herum. Aber darauf achtet kaum jemand.

Kamerateams irren durchs weithin leere Haus, auf der Suche nach Reisenden, die stundenlang auf Züge warten müssen. Sie stoßen dabei auch auf Hans-Joachim Kernchen, den Bezirkschef der Lokführergewerkschaft GDL. Er lässt sich gern befragen, droht mit unbefristetem Streik, spricht von Schmerzgrenze.

Ersatzbus nach Stralsund

René und Bianca Tix stehen gegen halb zwölf ratlos im ersten Stock des Hauptbahnhofs. Sie fallen auf, weil es um sie herum so leer ist. Die Lichtenberger, die nach Stralsund fahren und nachmittags im Hotelzimmer auf Rügen sein wollen, sind ratlos. Der Zug werde fahren, hatte man ihnen morgens am Telefon gesagt. Nun erfahren sie vom Bahnpersonal, dass der Zug ausgefallen ist. Ein Verwandter ruft auf dem Handy an, im Internet habe er gelesen, dass der Zug nach 13 Uhr abfährt – allerdings von Gesundbrunnen.

Als die beiden sich auf den Weg machen, kommt die Durchsage: Ein Ersatzbus nach Stralsund fährt um 12 Uhr vom Parkplatz gegenüber. Beide hoffen, dass es am Dienstag keinen Streik gibt. "Dann müssen wir wieder zurück.“ (C. v. L.)

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