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Hallo, da sind wir wieder! Christof Blaesius ist der neue Mann im Ballhaus Mitte.

© Simon Grothe

Ballhaus Berlin wieder geöffnet: Techno am Tischtelefon

Neues Innenleben und trotzdem authentisch: Das Ballhaus Berlin hat nach drei Monaten Sanierung wiedereröffnet. Dort mischt sich Swing mit Elektro-Beats – und antiker Flirttechnik.

Wenn man heute in einem Club jemanden aufreißen will, wird wild getanzt, viel gegrabbelt und gegrapscht. Das war nicht immer so. In den Swing- Clubs der 50er Jahre standen auf den nummerierten Tischen Telefone, mit denen man die Damen an den anderen Tischen anrufen und zu einem Getränk einladen konnte. In der Chausseestraße soll das auch weiterhin möglich sein. Die Tischtelefone haben hier schließlich eine lange Tradition. Am Dienstagabend wurde das Ballhaus Berlin nach dreimonatiger Sanierung wiedereröffnet.

Mit goldenem Stuck und Fischgrätparkett

„Neues Ballhaus im alten Gewand“, fasst es Christof Blaesius zusammen, der zusammen mit Karl-Heinz Heymann vom Kaffee Burger das Tanzlokal übernommen hat. In seinem mattgold- schwarz gestreiften Anzug und den grauen Chucks verkörpert der 53-Jährige selbst das Image der Tanzbar: Nostalgie im modernen Berlin. Hat sich denn viel verändert? „Die neue Tanzfläche ist aus Fischgrätparkett, den kargen weißen Stuck haben wir golden patiniert“, sagt Blaesius. „Die Bar und die Toiletten sind neu gemacht, jedoch dem Original nachempfunden.“ Neu ist vor allem die Technik und der Schallschutz, weshalb die Decke aufgerissen werden musste.

Der Umbau ist gelungen. Tatsächlich fühlt man sich wie in einem 50er-Jahre- Film, verursacht durch Kronleuchter, Stuck und die grün-weißen Tapeten auf der Empore – und natürlich die nummerierten Tische mit den Telefonen. Die Kosten der Sanierung liegen im sechsstelligen Bereich. Lediglich auf dem Vorplatz hat sich nichts verändert. Die Fassade der anliegenden Häuser verfällt langsam, ein großes Plakat kündigt das Helene-Fischer-Konzert in der O2-World an. Sehr grell und so gar nicht 50er Jahre.

"Die Leute sind den Trash satt"

„Als ich vor zehn Jahren zum ersten Mal ins Ballhaus kam, dachte ich: Wow! Das ist genau mein Geschmack“, sagt Christoph Blaesius. Im Sommer organisiert der gebürtige Kölner die Konzerte im Englischen Garten, nun hat er sich eine Zweitbeschäftigung gesucht, nicht nur für den Winter. „Beides Leidenschaftsprojekte“, sagt er.

Dass das Ballhaus wiedereröffnet, ist keineswegs selbstverständlich. Mit der Silvesternacht war vorerst Schluss, Herbert Gottschlich, der ehemaliger Besitzer, wollte nicht mehr. Zu wenige Gäste, vor allem wegen der Dauerbaustelle an der Invalidenstraße. Gottschlich sprach damals von Umsatzeinbußen bis zu 50 Prozent. Sind Stuck, Swing und Stil überhaupt noch zeitgemäß? Blaesius ist zuversichtlich: „Es gibt in Berlin ein großes Verlangen nach gepflegter Abendunterhaltung, die Leute sind den Trash satt,“ sagt er. Nicht nur der Erfolg von Clärchens Ballhaus an der Auguststraße, das im vergangenen Jahr 100. Geburtstag gefeiert hat, gibt ihm recht.

Zwischen Nostalgie und Elektro-Sound

Die Electro-Swing-Szene boomt gerade. Parov Stelar, Alle Farben und andere DJs werden mit ihren Swing- und Jazz-Standards-Mixen millionenfach im Internet geklickt.

Vor der Eröffnung wurde noch am Kronleuchter geschraubt, dann stieg die Party im Ballhaus Mitte.
Vor der Eröffnung wurde noch am Kronleuchter geschraubt, dann stieg die Party im Ballhaus Mitte.

© Simon Grothe

Parov Stelar lockte mit der Mischung tausende junge Berliner im November in die Arena in Treptow. Auch im Ballhaus soll es künftig in diese Richtung gehen. Blaesius träumt von einen eigenen Ballhaus-Sound, gemischt aus Swing-Bands und Electro-DJs.

Für die Eröffnung am Dienstag war Louie Prima gebucht, Stammgast bei den Electro-Swing-Revolution-Partys im Astra. Vorher spielte noch Andrej Hermlin mit seinem Swing Dance Orchestra. Jeden Dienstag soll diese Kombination künftig den Abend füllen. Swing und Elektro, eine Brücke zwischen Jung und Alt. „Mein größter Wunsch ist ein Mix aus Stammpublikum und jungen, kulturinteressierten Leuten“, sagt Blaesius.

Doch wie es sich für ein Ballhaus gehört, gibt es natürlich auch eine hauseigene Band. Jeden Freitag wird die „Stattkapelle“ spielen, geleitet von Robert Matt, der schon mit Nina Hagen und den Pet Shop Boys musizierte, am Schlagzeug Dave Andiana, Trommler der Blue Man Group, und Jan Stollterfuth an der Gitarre, der für Max Herre und Xavier Naidoo als Produzent arbeitete. Neue Kundschaft verspricht sich Blaesius vor allem aus der direkten Umgebung. Neben dem Ballhaus hat ein Hostel eröffnet, gegenüber entsteht ein Hotel mit 400 Betten und Veranstaltungszentrum.

In der vergangenen Woche drehte Oliver Kalkofe das 20-jährige Jubiläum der Mattscheibe im Ballhaus. Auch am Dienstagmittag war schon vor der Eröffnung viel Trubel im Haus, letzte Technik wurde installiert und das Klavier gestimmt. Es kann losgehen. Ein abschließender Blick in die Getränkekarte: Bier vom Fass für 3 Euro, Flasche Prosecco, Marke „Seitensprung“ für 19 Euro und Martini, geschüttelt. Das passt. 100 Meter weiter wurde gerade das neue BND-Gebäude eingeweiht.

Ballhaus Berlin, Chausseestraße 102, Di, Fr und Sa ab 20 Uhr, Eintritt: 10 Euro, mehr Infos unter: www.ballhaus-berlin.de

Simon Grothe

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