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Berlin-Style. Die Bar gehört dem Rockmusiker Jesse Malin.

© Ashley Landis/dpa

Bar "Berlin" in New York: „Wir sind ein geheimer Bunker“

Auf der ganzen Welt gibt es Orte, die unser Stadtgefühl transportieren wollen – auch in New York. Ein Besuch in der Bar „Berlin“.

Ob er sich vorstellen könne, noch einmal in Berlin zu wohnen, wurde David Bowie Anfang der 2000er in einem Interview gefragt. Keine gute Idee, antwortete der weise Bowie, „ich bin sehr eigen mit dem, was ich als mein Berlin erinnere. Ich würde es vielleicht gar nicht mehr wiederfinden“, sagte er, diese Wahlberliner Überfigur, wohlwissend, dass man Gefühlzustände nicht mal eben so über Jahrzehnte und Kontinente hinweg transportieren kann.

In Manhattan gibt es eine Bar, eine sehr gehypte, die heißt „Berlin“, und diese Bar, sie liegt im East Village, die will genau das: ein Gefühl transportieren. Das Gefühl Berlin. Welches Berlin?, könnte, müsste man jetzt fragen, gibt ja tausende. Es gibt aber wohl nur eine einzige Idee von Berlin, die sich hipsterglobal durchgesetzt hat. „Ein Unterschlupf für Künstler und Leute, die am Limit leben wollen.“ So beschrieb Besitzer Jesse Malin, ein Rockmusiker, der wie die seriöse Version des Comedian Noel Fielding aussieht, seinen Laden zur Eröffnung im vergangenen Sommer. Ein bisschen rau, entspannt und ziemlich sexy, so soll seine Bar sein, theoretisch, und ungefähr so formuliert sich ja auch die Millennial-Idee Berlins.

Etwas zu kühl in Berlin

Und dann läuft man die Treppe runter, vorbei an der Türsteherin, in den Keller, dort wo sich das Manhattaner „Berlin“ befindet, und als Erstes begegnet einem David Bowie. Sonnenbrille, zurückgekämmte Haare, Kippe im Mund, darüber die zwei Killerworte: „No Smoking“. Der rauchende Bowie auf einem Nichtraucherschild. Bowie als Maskottchen für eine ironische Bar? Man wünscht ihm, dass er das in seinen letzten Monaten nicht noch sehen musste.

Zwei junge Frauen, oder alte Mädchen, stehen an diesem Sonntagabend auf der Bühne. Blümchenkleid und Ballerinas, sie kichern und singen und singen und kichern. Pop. Nett, wirklich! An der Bar sitzen Pärchen und ein betrunkener Tourist in Flip Flops versucht zu tanzen. Die Barkeeperin, ein Schneewittchen mit Tattoos, verkauft Beck’s für sechs Dollar und einen Cocktail namens „The Berlin Hustler“ (Bourbon, Vanille, Zitrone, Ahornsirup, Kardamom) für 13 Dollar. Warum die Bar so heißt, wie sie heißt, kann die Frau nicht erklären. Es ist so kühl wie in jedem öffentlichen Gebäude in Air-Condition-City New York: etwas zu kühl. Discokugel, schwarze Ledersessel, über dem Tresen hängen glitzernde Kerzenleuchter, die Ziegel sind weiß gestrichen, mitten im Raum zwei Plastik-antike Säulen. „Wir sind ein geheimer Bunker“, hatte Besitzer Jesse Malin gesagt. Nur: Wie hat dann der Flip-Flop-Mann davon erfahren? Und wovor muss man sich hier schützen?

"Ein Hauch von Kreuzberg im East Village"

Dass sich Berlin gut verkauft, ist in New York nichts Neues mehr. Auf illegalen Technopartys in Brooklyn-Bushwick wird Club Mate verkauft, weil man das im Berghain so gesehen hat und besonders im durchgentrifizierten, sterilen East Village ist der Wunsch, ein bisschen kaputtes Berlin zu implantieren, omnipräsent. „Ein Hauch von Kreuzberg im East Village“, schrieb die „New York Times“, und tatsächlich könnte diese Bar genau so auch locker in der Bergmannstraße stehen, irgendwo zwischen Blinis-Espressolounge und dem Friseur Schnittstelle. Doch das Berlin, von dem sich Partyjünger weltweit erzählen, das Berlin, das weltweit so viel Sehnsucht verursacht, ist doch eigentlich ein anderes. Beim Versuch, das Gefühl Berlin zu transportieren, wurde das Gefühl Berlin aus dem gleichen Grund verklärt, aus dem Bowie nicht mehr zurückwollte. Fernweh stillt man nicht fern von der Realität

Berlin ist billig, die Bar „Berlin“ ist teuer. Berlin ist meinetwegen immerfort werdend und niemals seiend (Karl Scheffler), „Berlin“ ist definitiv schon angekommen. In Berlin kann man märchenhaft versumpfen, „Berlin“ schließt um 4 Uhr morgens. Berlin ist, wie Hanns Zischler mal gesagt hat, zu groß für Berlin. Doch „Berlin“ ist wohl zu klein für Berlin.

Wie ein Aschenbecher Berlin erklärt

Was denn nun?
Was denn nun?

© Bodo Staub

Ach nee, guck mal einer an: Da schlendert man so mir nichts dir nichts durch Montenegro, und man steht auf einmal vor dem Ortsschild: „Berlin“.

Nanu, sind wir zu weit? Natürlich nicht. Hier, an einer ruhigen, baumbestandenen Straße mitten in Montenegros Hauptstadt Podgorica, ist einfach nur eine Kneipe mit dem Namen der deutschen Hauptstadt. 4,7 von 5 Sternen bei Google, laut Lonely Planet eine In-Kneipe, Trip Advisor ist auch zufrieden, dann kann man sich das doch ruhig mal anschauen.

Leider erinnert in dem Laden selbst fast gar nichts an Berlin, außer dem Namen – und dem Roten Rathaus mit Alexanderhaus auf der Speisekarte. Und natürlich das kostenlose W-Lan, das aber unglaublich langsam ist und damit auch wieder irgendwie an die verhinderte aber selbsterklärte IT-Hauptstadt Europas erinnert. Wenigstens der Espresso schmeckt.

Verboten - Erlaubt?

Und dann ist da noch dieser Aschenbecher, in den ein großes Rauchen-verboten-Schild gedruckt ist. Eine Einladung zum Rauchen, und gleichzeitig das Verbot? Dieser Widerspruch, dieses das-darfst- du-nicht-aber-mach-mal – wenn das nicht Berlin charakterisiert... Bodo Straub

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