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Berlin: Basisdiplomatie bei Weddinger Muslimen

Wie der amerikanische Botschafter und seine Frau Integration fördern

Es ist 36 Grad heiß. Die Timkens könnten den Tag im Garten ihrer Villa in Dahlem verbringen. Aber sie sitzen in einem stickigen Ladenlokal in Wedding. Dass es zu wenig Geld vom Staat gibt für ihr Projekt, jammern türkische und arabische Jungen. Sie haben zwar Räume, wo sie Boxen und Breakdance trainieren, aber die Duschen fehlen. Hört auf zu jammern, sagt William Robert Timken, vor zwei Jahren hattet ihr noch gar nichts.

Timken ist der amerikanische Botschafter. Zusammen mit seiner Frau Sue ist er mal wieder unterwegs in der Stadt. Dort, wo es Diplomaten nur selten hinzieht: in die Problemkieze. Denn die Timkens haben ein festes Ziel, das nicht im Diplomatenhandbuch steht. Sie wollen den Deutschen bei der Integration helfen. Davon hängt schließlich die Zukunft Deutschlands ab, sagt der Botschafter.

Was sind eure Probleme im Alltag, will Timken von den muslimischen Jugendlichen vom Weddinger Verein „Kiezboom“ wissen. Der Milliardär und Großunternehmer, der aus einer Firma in Ohio einen Weltkonzern gemacht hat, hört zu und erzählt aus seinem Leben, wie er Krisen überwunden hat, dass man etwas wagen und an sich selbst glauben muss. Dass der 67-jährige Botschafter kein gelernter Diplomat ist, sondern erfolgreicher Businessman, kommt an bei den jungen Türken. Und dass da einer ist, der sie ernst nimmt.

Allerdings ist Bushs Gesandter nicht bei allen muslimischen Vereinen in der Stadt willkommen und manchmal wird er von den Jugendlichen heftig attackiert wegen der amerikanischen Außenpolitik. Davon lassen sich die Timkens nicht abschrecken. Sie diskutieren und versuchen, was eben geht.

Sue Timken trifft sich in Neukölln mit türkischen Mädchen und Müttern. Dass der gemeinsame Wortschatz nicht besonders groß ist, macht nichts. Die Botschaftergattin lädt die Türkinnen eben zu sich in die Villa ein, auf dass man sich beim gemeinsamen Plätzchenbacken näher kommt.

Die Töchter würden gerne Englisch lernen, sagt eine Mutter. Kein Problem: Sue Timken organisiert ehrenamtliche Lehrer, wozu gibt es schließlich den großen Freundeskreis der Botschaft?

Damit auch Kinder armer Eltern in die Welt hinauskommen, schicken die Timkens nun deutsche Hauptschüler zum Austausch in die USA, und zwar gerade die türkischen und arabischen, die noch nie aus ihrem Kiez herausgekommen sind. Aus den USA wollen sie die benachteiligten, zumeist schwarzen Ghettokids hierher bringen. Wenn sie zusammen Breakdance trainieren, Rappen und dann noch eine sinnvolle gemeinnützige Arbeit machen, merken sie vielleicht, wie viel sie gemeinsam auf die Beine stellen können, sagt Sue Timken.

Im Juni lud der Botschafter 100 Schüler aus Neukölln und Kreuzberg in seine schicke Landesvertretung, damit sie mit Experten aus den USA über das Thema Integration diskutieren. Da saßen dann die Jugendlichen aus den Rütli-Schulen der Stadt, über die sonst nur im Zusammenhang mit Mängeln gesprochen wird. Nachdem die Scheu vom Anfang verflogen war, rafften sie ihr Englisch zusammen und erzählten, wie es ihnen geht. Einige fingen sogar an von so etwas wie Zukunft zu träumen, beflügelt von dem Gefühl, dass extra Leute aus den USA hierher kommen und mit ihnen sprechen und sie sogar in ein repräsentatives Gebäude einladen.

Bei all dem geht es dem Botschafterpaar nicht ums Foto in der Zeitung – die Presse ist in der Regel nicht eingeladen. Es geht um Überzeugung und viel Pragmatismus. Der Staat gibt nicht genug Geld für die Integrationsprojekte aus? William Timken fragt bei den Jugendlichen vom Kiezboom nach. Warum versucht ihr nicht mit dem eigenen Talent Geld zu verdienen? T-Shirts besprayen und verkaufen, sagt die Botschaftergattin im feinen Kostüm und schreibt auf, wie und wo. Vielleicht hilft ja auch der American-German Business Club. Den will sie gleich mal anrufen. Die Jungen machen große Augen. Ach ja, stimmt, so könnte es gehen.

Claudia Keller

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