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Berlin: Bauarbeiter fanden Schädel und Skelette

Am Strausberger Platz sollten neue Gasrohre verlegt werden. Beim Graben stießen die Gasag-Männer auf Gebeine

Für die Bauarbeiter war es erstmal ein Schock: Als sie am Montagmorgen am Strausberger Platz ein Loch gruben, in dem sie im Auftrag der Gasag neue Gasrohre verlegen sollten, stießen sie auf Knochen. Menschliche Knochen und Schädel. Drei Skelette bargen sie aus einer Tiefe von zwei Metern auf der Nordseite des Platzes. Die Polizei holte die Gebeine ab und fuhr davon.

Aber je weiter die Mitarbeiter von Bauleiter Horst Schirmer gruben, desto mehr Knochen förderten sie zu Tage. Am Nachmittag schließlich hatten sie rund 20 Schädel und zahlreiche Knochen – von Armen, Beinen, Oberschenkel, Becken – ausgegraben und entlang des Gehwegs abgelegt.

Jenseits des Gehwegs liegt das Restaurant „Noi Quattro“. Deren Besitzer waren über die Funde ebenso erstaunt. Ihre Gäste, denen sie davon berichteten, glaubten zunächst an einen makabren Scherz. Bis sie selbst die braungefärbten und erdverkrusteten Knochen in Augenschein nahmen.

Der 54-jährige Bauleiter vermutet, dass dort noch weitere sterbliche Überreste liegen. Aber auch er kann sich nicht vorstellen, aus welcher Zeit sie stammen. Verletzungen konnten an den Gebeinen nicht festgestellt werden. Möglicherweise waren es Soldaten, die bei den Kämpfen um Berlin gefallen sind. Aber es wurden in der Erdgrube bisher keine Metallteile gefunden – keine Kugeln, keine Munition, keine metallenen Uniformteile, keine Waffen und vor allem keine Erkennungsmarken, wie sie alle Soldaten tragen, damit sie im Todesfall identifiziert werden können. Da die Knochen in der Erde lagen, unterhalb der mächtigen Wurzeln eines Ginkgobaumes, handelt es sich wahrscheinlich auch nicht um die Opfer eines Bombenangriffs, die in einem Keller Schutz gesucht hatten und von den Trümmern des einstürzenden Hauses erschlagen und begraben wurden.

Schirmer beklagte, dass sich keiner so richtig zuständig fühlen wollte für die menschlichen Gebeine. Die Polizei habe er nach den weiteren Funden angerufen, aber es sei bisher keiner gekommen. Ein Bestattungsunternehmen, das er ebenfalls um Hilfe bat, erklärte sich für nicht zuständig. „Das ist ja wie ein Massengrab. Ich kann die Skelette doch nicht hier auf dem Rasen liegen lassen“, sagte er .

Am Nachmittag kam nach mehreren Anrufen schließlich ein Funkwagen vom zuständigen Abschnitt. Die beiden Streifenpolizisten sperrten den Fundort und warteten dann auf ihre Kollegen von der Kriminalpolizei. Die Gebeine sollen untersucht und dabei soll ihr Alter bestimmt werden. Sollten es Opfer des Zweiten Weltkriegs sein, dann könnte es sogar noch gelingen, den einen oder anderen Toten zu identifizieren, sagte ein Beamter.

Für Bauleiter Horst Schirmer sind es nicht die ersten Skelettfunde in seinem beruflichen Werdegang: „Knochen findet man immer wieder. Aber vor rund 20 Jahren fanden wir in Spandau an der Kirche Skelette, die stammten aus dem 17. Jahrhundert.“ Die Landesarchäologen legten damals nach dem Fund der Gebeine der Spandauer Ureinwohner die Baustelle lahm: „Vier Wochen lang durften wir nicht weiterarbeiten“, sagte Schirmer. Auch bei den Bauarbeiten für den Lehrter Bahnhof fanden Arbeiter im Mai 1997 die Skelette von zunächst 30 Verstorbenen. Später wurden die Gebeine von über 500 weiteren Menschen gefunden – Seuchenopfer aus dem 19. Jahrhundert, wie seinerzeit die Untersuchungen im gerichtsmedizinischen Institut ergaben.

Immer wieder stoßen Bauarbeiter bei ihren Grabungen unfreiwillig auf Zeugnisse der Geschichte Berlins. Bei den Ausschachtungsarbeiten für einen Neubau an der Köpenicker Grünstraße wurden 1995 Knochen von Menschen und Tieren gefunden: Die Überreste einer alten Siedlung. Die ältesten der dort gefundenen Knochen konnten von Archäologen auf das 13. Jahrhundert datiert werden. weso

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