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Berlin: Baubeamter aus Kreuzberg schrieb die Anträge und kassierte dafür

Nach Verhaftung gegen 50 000 Mark Kaution frei / Offenbar von "Honoraren" gelebtVON HANS TOEPPEN BERLIN.Unter Korruptionsverdacht hat die Justiz in aller Stille einen 35jährigen Beamten der Kreuzberger Baubehörde verhaftet.

Nach Verhaftung gegen 50 000 Mark Kaution frei / Offenbar von "Honoraren" gelebtVON HANS TOEPPEN BERLIN.Unter Korruptionsverdacht hat die Justiz in aller Stille einen 35jährigen Beamten der Kreuzberger Baubehörde verhaftet.Dem Mann wird vorgeworfen, in mehr als 50 Fällen vermutlich größere Geldbeträge für die Anfertigung von Bauanträgen kassiert zu haben, die er dann selbst genehmigt hat.Die Festnahme geschah bereits Ende April.Seitdem hat die Staatsanwaltschaft diskret ermittelt.Gegen eine Kaution von 50 000 Mark wurde der Mann vorige Woche aus der Untersuchungshaft entlassen.Die Verfahren gegen die Leute, die ihn geschmiert haben, stehen noch bevor. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann schon seit Monaten in Verdacht.Erst am 30.April aber kam es nach langem Warten schließlich zu einer fingierten Geldübergabe, und der Beamte fand sich plötzlich hinter den Gittern der Untersuchungshaftanstalt Moabit.Justizsprecher Rüdiger Reiff bestätigte den Fall gestern auf Anfrage des Tagesspiegels.Aufgeflogen sind die geheimen Zahlungen durch eine Kreuzberger Hauseigentümerin, die nach mehreren illegalen Angeboten des Bau-Beamten im Januar zur Kriminalpolizei gegangen war.8000 Mark wollte der Staatsdiener für die Anfertigung ihres Umbau-Antrages haben. Bei der Staatsanwaltschaft wurde der Zeugin vor allem geraten, sich völlig passiv zu verhalten und den Mann nicht etwa - rechtswidrig - anzuspornen.Die Initiative sei immer nur von dem Beamten ausgegangen, heißt es bei den Ermittlern.Bei einer anschließenden Durchsuchung wurde dann Beweismaterial gefunden. Die Haltung des Bezirksamts bei der Aufklärung nennt ein Strafverfolger vorbildlich.Es habe nicht den geringsten Ansatz von Verschleierung oder Verharmlosung gegeben.Mit Hilfe eines Spezialisten der Senatsbauverwaltung sollen die Akten nun noch sachkundig überprüft werden.Das könnte auch für die Frage von Bedeutung sein, ob die Geldzahler sich strafbar gemacht haben. Die Masche des Mannes wird so beschrieben: Bauwilligen habe er angeboten, deren Bauanträge selbst zu schreiben.Ob er sie dann bei der Entscheidung auch noch bevorzugt hat, ist bisher nicht klar.Bei seiner Vernehmung hat der Beamte "das äußere Geschehen eingeräumt", wie es heißt, aber das ganze lediglich als eine Art ungenehmigter Nebentätigkeit interpretiert. Ob der Mann so naiv ist wie diese Erklärung klingt - darüber wird bei der Staatsanwaltschaft gerätselt.Der Umfang der Nebeneinnahmen scheint allerdings weniger für Weltfremdheit zu sprechen.Der Mann soll sein normales Gehalt seit Jahren gar nicht mehr angerührt haben, weil seine sonstigen Einnahmen offenbar reichten.Die Steuer hat von ihnen aber nichts erfahren. Die strafrechtliche Würdigung ist nicht einfach.Vorteilsannahme - Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe - liegt vor, wenn ein "Amtsträger" eine Gegenleistung für eine "Diensthandlung" fordert, annimmt oder sich auch nur versprechen läßt.Eine Diensthandlung im engeren Sinn war die Anfertigung von Bauanträgen aber nicht. Die Staatsanwaltschaft behilft sich jedoch einerseits mit dem Argument, daß auch die Beratung, Korrektur und Hilfestellung für Antragsteller zu den Pflichten zähle - daß der Mann also doch etwas Dienstliches vollbracht habe.Andererseits und vor allem schauen die Strafverfolger aber auf das Ergebnis: Die spätere Genehmigung.Zwar hat der Beamte sich offenbar nie ausdrücklich dafür bezahlen lassen, aber der Bundesgerichtshof hat solche Fälle schon einmal im Lichte der allgemeinen menschlichen Erfahrung beurteilt: Es spreche viel dafür, daß der "Vorteilsgewährende" hier nicht nur für den Antrag sondern auch für die Entscheidung bezahlt.Und die ist eine Diensthandlung.

HANS TOEPPEN

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