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Baubeginn Humboldtforum: Wurzelbehandlung am Schloss

300 Jahre lang trugen sie die Hohenzollern-Residenz. Jetzt werden rund 3000 Eichen- und Kiefernpfähle aus dem Boden gezogen und entsorgt. Ein Teil der alten Schlossgründung bleibt aber erhalten.

Sie haben den Schlossabriss überlebt, sind weitgehend intakt, aber beim Schlossneubau will man sie trotzdem nicht dabeihaben. Rund 3000 Pfähle, bis zu zehn Meter lang, werden derzeit aus dem Untergrund gezogen und zur weiteren – noch ungeklärten – Verwertung abtransportiert. Mehr als 300 Jahre haben sie gute Dienste geleistet, die Schlosslast getragen, doch moderne Baumeister gründen lieber mit Beton und Stahl.

Die Pfähle aus Kiefern- und Eichenholz sind fast durchweg gut erhalten, weil sie im Grundwasser lagen. Unter Luftabschluss verrottet das Holz nicht. Bakterien und Pilze können ihre Arbeit nicht verrichten. Eichenholz macht wegen der eingelagerten Gerbstoffe sogar eine Art Versteinerungsprozess durch, der das Material noch besser vor Fäulnis und Verrottung schützt. Deshalb können hunderttausende Eichenpfähle die Lagunenstadt Venedig seit Jahrhunderten über Wasser halten. Gefährlich wird es nur, wenn der Wasserstand sinkt und die Pfahlköpfe an die Luft kommen.

Das Grundwasser beginnt im Spreebereich bereits wenige Meter unter der Oberfläche. Das macht den sandigen Untergrund zusätzlich instabil, ist für eine Holzgründung aber günstig. Auch unter der Staatsoper wurden Holzpfähle gefunden, das Köpenicker Schloss stützt sich auf Pfähle, ebenso das Torhaus der Zitadelle Spandau. Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren Holzpfähle die bevorzugte Gründung auf feuchtem Schwemmland.

Beim Wiederaufbau des Neuen Museums wurden die Pfähle im Boden belassen, „man kam einfach nicht heran“, sagt Wilfried Wolff vom Denkmalausschuss der Baukammer Berlin. Nur dort, wo die Gründung offenbar beschädigt war, wurde mit modernen Mitteln nachgeholfen. Wolff plädiert als Denkmalschützer dafür, die alten Gründungspfähle des Schlosses im Boden zu belassen, wenn es bautechnisch möglich ist. „Die neuen Betonpfähle müssen ja nicht unbedingt dort stehen, wo jetzt die alten sind“.

Manfred Rettig von der Stiftung Humboldtforum verweist auf den schwierigen Baugrund und den Tunnel der U 5, der diagonal unter dem Bauplatz verlaufen wird. Dort müssen die Pfähle raus. Gefunden wurden sie vorwiegend im Nordosten des Areals. Dort stand einst der Münzturm, der schiefe Turm von Berlin, 100 Meter hoch, 1702 von Schlossbaumeister Andreas Schlüter errichtet. Der Münzturm begann sich schon nach wenigen Jahren zu neigen. Der Einsturz drohte, also befahl der König den Abriss, und Schlüter verlor seinen Posten. Gegründet war der Turm auf einer Torflinse, deren Sogwirkung selbst die Eichenpfähle nichts entgegenzusetzen hatten.

„Wir haben die Torflinse jetzt genau vermessen“, sagt Rettig. Um Grund in den Boden zu bekommen, soll eine 1,5 Meter dicke Betonsohle eingebracht werden. Im Südosten des Neubaus werden die Kellergewölbe und darunterstehende Pfähle in einem „archäologischen Fenster“ erhalten. Um kein Risiko einzugehen, werden zusätzlich Betonpfähle in den Untergrund eingebracht. Erhalten bleibt auch die Betonwanne des Palastes der Republik auf der Ostseite.

Rund zehn Exemplare der herausgezogenen Pfähle – sie hielten einst den Eosanderflügel im Lot – werden auf Herkunft und Alter untersucht, sagte der Grabungsleiter des Landesdenkmalamtes, Michael Malliaris. Vermutlich kämen sie aus der Mark Brandenburg.

Bis Jahresende soll die Bergung der Pfähle abgeschlossen sein, gleichzeitig wird die neue Betongründung eingebracht. Mitte Mai 2013 ist die Grundsteinlegung geplant, Mitte 2019 soll das Humboldtforum eröffnen. (mit dapd)

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