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Berlin: Bauen und Modernisieren: Plattenbauten zu Lofts

Der Blick vom Balkon ist beeindruckend. Zu Füßen des Betrachters liegt die Dorfkirche von Eiche.

Der Blick vom Balkon ist beeindruckend. Zu Füßen des Betrachters liegt die Dorfkirche von Eiche. In der Ferne verliert sich der Blick in den Weiten Brandenburgs. Sogar von der Dusche aus genießt der Mieter einen freien Blick. Über Nord-Marzahn - denn hier liegt diese Wohnung in einem Plattenbau aus DDR-Zeiten. Nur, von den Nachteilen der Bauweise blieb wenig übrig. Die Küche, in diesen industriell vorgefertigten Blöcken sonst oft nur fünf Quadratmeter klein, ist hier nun eine geräumige Wohnküche, und sie lädt zum Ausprobieren neuer Rezepte und gemütlichem Verweilen ein.

"Die Flexibilität der industriell gefertigten Wohnungen ist ausgesprochen hoch", sagt Wolfgang Burgold. Er ist Prokurist bei der Mega Entwicklungs- und Gewerbeansiedlungs-AG. Die Gesellschaft hat im vergangenen Jahr von der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn rund 2500 Wohnungen im Norden des Plattenbaubezirks erworben und diese jetzt saniert. Dabei beschränkte sich die Mega nicht auf die Standardsanierung: Aufzüge ersetzen, Treppenhäuser streichen, Elektroleitungen erneuern. Sie veränderte vielmehr in vielen Fällen den Grundriss. In der Vier-Zimmer-Wohnung vertauschten die Architekten zum Beispiel Küche und Bad. Das Bad, in den DDR-Siedlungen sonst ohne Fenster, ist nun größer und hat eine beeindruckende Aussicht. Damit auf der anderen Seite die Küche, hervorgegangen aus dem einst als Bad genutzten Raum, nicht zu winzig geriet, entfernten die Planer die Wand zum angrenzenden Esszimmer. Die zusammengelegten Räume bilden nun eine großzügige Wohnküche.

Dass sich Innenwände in Plattenbauwohnungen ohne weiteres wegnehmen oder verschieben lassen, liegt daran, dass keine von ihnen Lasten von Decken und Fassaden trägt. Das eröffnet eine "Vielfalt der Möglichkeiten", wie Burgold sagt. So können die Architekten im Prinzip nach Belieben schalten und walten. Theoretisch, sagt Burgold, könnte man sämtliche Wände rausnehmen und Lofts schaffen: "Aber die würden hier nicht angenommen." Denn die Mieter in Marzahn achten, ganz in DDR-Tradition, darauf, nicht zu viel Wohnfläche zu verbrauchen. Zwei-Zimmer-Wohnungen mit mehr als 60 Quadratmetern beispielsweise lassen sich laut Burgold kaum vermieten.

In einigen Punkten haben sich die Bedürfnisse der Marzahner in den letzten Jahren jedoch gewandelt. Während die zahlreichen Drei- und Vier-Raum-Wohnungen oft nur schwer an den Mann oder an die Frau zu bringen sind, gibt es eine große Nachfrage nach Zwei-Zimmer-Logis mit Balkon. Darauf reagierte die Mega in einem Wohnblock an der Rabensteiner Straße: Wo früher eine Ein-Zimmer-Wohnung mit 33 Quadratmetern und eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern nebeneinander lagen, erwarten jetzt zwei Zwei-Zimmer-Wohnungen mit 42 respektive 60 Quadratmetern die künftigen Mieter. Diese wundersame Verwandlung erreichten die Planer, indem sie die Wohnungstrennwand durchbrachen und die einstige Küche der größeren Wohnung zum Schlafzimmer der kleineren Wohnung umfunktionierten. In der größeren Wohnung ist die Küche nun dort, wo früher ein Schlafzimmer war.

Um diese einschneidende Veränderung realisieren zu können, mussten die Planer die Versorgungsstränge völlig neu verlegen. Möglich war das nur, weil das ehemalige Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter vor der Sanierung völlig leer gestanden hatte. Anders in bewohnten Häusern: Hier müssen Küche und Bad immer am Versorgungsschacht angesiedelt bleiben. Die Sanierungskosten für die Wohnungen der Mega belaufen sich nach Angaben Burgolds im Durchschnitt auf etwa 550 Euro pro Quadratmeter. Die Miete liegt bei rund fünf Euro pro Quadratmeter nettokalt; mehr wäre in dieser Stadtrandlage wohl nicht zu erzielen.

Dass sich Plattenbauwohnungen mit relativ geringem Aufwand zu attraktiven Bleiben umfunktionieren lassen, haben auch andere Vermieter bemerkt. Die WBG Marzahn zum Beispiel ist stolz auf ihre 95 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnungen in den Hochhäusern am Helene-Weigel-Platz. Diese sind für eine Warmmiete von 640 Euro im Angebot. Vor der Sanierung war die Fläche auf vier Räume verteilt. Auch hier entschieden sich die Planer dafür, die Durchreiche zwischen der winzigen Küche und dem angrenzenden Wohnzimmer zu entfernen und so eine großzügige Wohnküche zu schaffen. Besonders attraktiv ist diese Lösung, weil man von der Küche aus direkt auf eine der zwei Loggien gelangt - einem Abendessen in lauer Sommerluft steht nichts im Wege.

Ansonsten blieb der Grundriss unverändert. Nachteil: Das Bad wirkt angesichts der ansonsten großzügigen Wohnung zu klein und hat kein Fenster. Die WBG Marzahn bietet nicht nur pfannenfertige Lösungen an, sondern ermuntert auch ihre Mieter, die Wohnungen nach eigenen Vorstellungen umzugestalten. "Jeder, der Geld in seine Wohnung investiert, bleibt uns als Mieter erhalten", sagt Erika Kröber, Pressesprecherin der WBG Marzahn. Damit bei Umbauten in eigener Regie alles mit rechten Dingen zugeht, schließt die Gesellschaft mit dem Mieter eine Modernisierungsvereinbarung ab. Sogar eine finanzielle Beteiligung des Unternehmens an den Umbaukosten sei denkbar, sagt Frau Kröber - sofern die Vorschläge nicht so extravagant sind, dass im Falle des Auszugs die Wohnungsaufteilung etwaige Nachmieter abschreckt. Dass die Fantasie mit einem Bewohner durchgehen könnte, hält Erika Kröber jedoch eher für unwahrscheinlich. Die Marzahner seien durchaus bescheiden: Küche und Bad mit Fenster sowie Scheuerleisten und Fußbodenbelag stünden meistens auf deren Wunschliste.

Ausnahmen bestätigen die Regel, mussten die Verantwortlichen der Mega erkennen. Im Bad der eingangs beschriebenen VierZimmer-Wohnung fallen die rot-schwarz gemusterten Fliesen ins Auge. Die Farbe ist überaus gewöhnungsbedürftig. Wie es kam? Er würde die Fliesen gerne selber auswählen und bezahlen, hatte der engagierte Mieter gesagt und dafür die Zustimmung der Bauleitung erhalten. Als diese dann sah, auf welches Modell die Wahl ihres Mieters gefallen war, hielt sich ihre Begeisterung in engen Grenzen. Dass sich eines Tages ein anderer Mieter findet, der diesen Farbgeschmack teilt, dürfte doch eher fraglich sein.

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