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Berlin: Bauhelfer hielt 34-Jährige mehrere Wochen als "Sex-Sklavin" gefangen

Ihr Peiniger ist ein ordentlicher Mensch. Zu jedem Raum im Kellerverlies gehört ein Schlüssel und zu jedem Schlüssel am Bund ein bunter Plastikanhänger: "Todestrakt", steht auf dem einen.

Ihr Peiniger ist ein ordentlicher Mensch. Zu jedem Raum im Kellerverlies gehört ein Schlüssel und zu jedem Schlüssel am Bund ein bunter Plastikanhänger: "Todestrakt", steht auf dem einen. "Spezialbehandlungsraum für Sklavin", auf dem anderen. Einen Namen hat die zierliche Frau, die Dieter H. über sechs Wochen lang in seinem Keller gefangen hält, für ihn offenbar nicht. Er nennt sie schlicht "Sklavin", sie muss ihn "Meister" rufen.

Das Martyrium der 34-jährigen Modedesignerin beginnt am 14. Februar dieses Jahres. Die junge Frau hatte sich am Valentinstag mit ihrem Freund getroffen und will am Abend noch die Eltern in Treptow besuchen. In der Paradiesstraße unweit des S-Bahnhofes Altglienicke wird der 49-jährige Bauhelfer dann zufällig auf Sylke R. aufmerksam. Er fällt sie von hinten an, bedroht sie mit einem Messer und zerrt sie in seinen Wagen. In der Kaulsdorfer Lindenstraße schleppt Dieter H. sein Opfer dann in sein Haus und sperrt es in eine der vier dort ausgebauten, rund sechs Quadratmeter großen Zellen. Immer wieder steigt der Täter hinab, um die 34-Jährige in dem Verlies zu vergewaltigen, zu foltern und zu demütigen.

"So etwas habe ich noch nicht gesehen", sagt der Chef der 3. Mordkommission, Klaus Ruckschnat, als die Kripo den Folterkeller entdeckt. Ketten und Fesseln hängen an den schalldicht isolierten Wänden. Kistenweise tragen die Beamten bizarres Sex-Spielzeug und diverse Folterwerkzeuge aus dem Verlies, darunter auch ein alter Stuhl für gynäkologische Untersuchungen. Wieder ist es der Zufall, der Sylke R. aus der Gefangenschaft befreite: Am 30. März prallt der unter starken Psychopharmaka stehende Bauhelfer mit seinem VW-Passat an einer Ampelkreuzung in Marzahn auf ein Betonmisch-Fahrzeug. "Es besteht die Vermutung, dass es sich bei dem Unfall um einen Selbstmordversuch gehandelt hat", sagt Staatsanwalt Michael von Hagen.

Doch nach dem Unfall schweigt der Bauhelfer im Krankenhaus zunächst. Um sein Haus und seinen Schäferhund kümmert sich seine Schwester. Als die Verwandte am 2. April nachmittags plötzlich schwache Klopfzeichen und Hilfe-Rufe im Keller hört, befreit sie die apathisch wirkende Sylke R. aus der Gefangenschaft. Wenig später legt Dieter H. ein umfassendes Geständnis ab.

Am Montag beginnt vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen den 49-Jährigen. Wiederholt Dieter H. seine Aussage auf der Anklagebank, dürfte das Verfahren nach zwei Tagen zu Ende sein. Außerdem könnte seine Einlassung auch Sylke R. vor dem Gang in den Zeugenstand bewahren. "Wir versuchen, dem Opfer eine erneute Aussage zu ersparen", sagt der Staatsanwalt, der für den Angeklagten voraussichtlich die Unterbringung in der Psychiatrie beantragen wird. Von Hagen: "Das hängt letztlich von der Aussage des Sachverständigen ab."

Im Zuge der Ermittlungen stellte sich bald heraus, dass der Bauhelfer bereits mehrfach wegen Vergewaltigungen und Sexualdelikten im Gefängnis saß. In der Ost-Berliner "Wochenpost" sorgt er 1971 als "Schrecken von Rahnsdorf" für Schlagzeilen. Elf Mädchen und Frauen hat er nachweislich überfallen, zehn von ihnen vergewaltigt. Das DDR-Gericht verurteilte den Mann damals zu zehn Jahren Gefängnis. Nach der Haftverbüßung wird der Triebtäter bereits 1985 wieder rückfällig und in die geschlossene Psychiatrie in Berlin-Buch eingewiesen. Weil er aber einen Job als Gabelstaplerfahrer und eine Familie vorweisen kann, entlassen ihn die Ärzte bereits nach einem Jahr - als "sozial stabilisiert".

Vollständig stabilisiert hat sich Sylke R. bis heute nicht. Mit der Hilfe von Psychologen versucht sie zu verarbeiten, dass ein Fremder sie zur "Sklavin" machte. Zu einem willenlosen Wesen, das sich nicht traute, auf den nächtlichen Spaziergängen entgegen kommende Nachbarn um Hilfe zu bitten. Sylke R. hatte nur noch Angst - vor der echt aussehenden Pistole ihres Peinigers, vor seinem Schäferhund, vor seinen Morddrohungen. Also gehorchte sie dem "Meister", grüßte die Fußgänger freundlich und ging schweigend weiter.

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