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Bauprojekt: Der Fremdkörper

Am Montag ist Spatenstich für ein Mammutprojekt rund um den Gasometer in Schöneberg: 12.000 Quadratmeter Baufläche, hohe Häuser, eine Energie-Universität. Eine Initiative wehrt sich.

Es wird ein riesiges Bauprojekt: Um die 500 Millionen Euro sollen auf dem früheren Gasag-Grundstück rund um den Schöneberger Gasometer investiert werden, eine Energie-Universität und 5000 Arbeitsplätze „im ersten CO2-neutralen Büroviertel Europas“ entstehen. Für die Bodensanierung wird heute, Montag, der symbolische Spatenstich des Europäischen Energie-Forums (Euref) gegraben. Die Ankündigungen des Investors Reinhard Müller sind vielversprechend, doch der unmittelbaren Nachbarschaft ist das Projekt nicht geheuer.

Mit „Harmonie“ ist am Morgen nichts. Das Café an der Cherusker- Ecke Leuthener Straße nennt sich zwar so, hat vormittags aber nicht offen. Das „Mon Chéri“ an der Naumannstraße bietet sich als Alternative an. Hier reden sich die Leute von der Bürgerinitiative Gasometer den Frust von der Seele. Cornelia Koester, Übersetzerin, Alexander Ziemann, Rechtsanwalt, und Jörn Dargel, Stadt- und Regionalplaner, sprechen für die Initiative. Gut 50 Aktive machen regelmäßig mit, sie kommen oft im „Harmonie“ zusammen, das liegt viel näher am Gasometer als das „Mon Chéri“.

Das geplante Energie-Forum ist, obwohl sie „die Idee an sich“ für gut halten, nicht ihr Liebling. Ihnen schwant nichts Gutes – der Größe wegen. Sie glauben, dass da vor ihren Türen etwas sehr Fremdes entstehen soll, mit einem Eigenleben und hohen Häusern, die ringsum die Wohnungen in den Schatten stellen.

Initiative sieht Gefahr, dass Büros nicht vermietet werden

Hoch ist der stillgelegte Gasometer: Er thront 78 Meter über der Altbaugegend. Noch ist der denkmalgeschützte Riese leer. Er soll, mit einem Glashaus gefüllt, das Symbol des Euref-Geländes werden, umgeben von weiteren, etwa 45 Meter hohen Gebäuden. Noch passen Kiez und hoher Anspruch des Projekts, das mit den Bundesministern Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier prominente Befürworter hat, nicht zusammen.

Was die Initiative schreckt, ist die geplante Nutzfläche von rund 120.000 Quadratmetern, dann die Höhe der Häuser. Sie glaubt an Vermietungsschwierigkeiten angesichts des hohen Büroleerstands. Die Uni solle der Köder, das Bonbon fürs ganze Projekt sein, sagen sie.

Für die Energie-Uni ist eine Trägergesellschaft gegründet worden, die Gemeinnützigkeit beantragt. Vorsitzender ist Lothar de Maizière. Aber 200 Millionen Euro Stiftungskapital für das Euref-Institut sind noch nicht zusammen, Geldgeber werden in Deutschland, Russland, anderen europäischen Staaten und dem Vorderen Orient gesucht. Wie überhaupt das ganze Projekt durch die Finanzmarktkrise nicht leichter geworden ist, wie Euref-Sprecher Gerd Hofmann schon gesagt hat. Der Baubeginn 2009 für ein Hotel in Höhe des Bahnhofs Schöneberg – der scheint sicher, aber ob das ganze Projekt 2011/2012 fertig wird? Von Euref gibt es derzeit keine genauen Prognosen.

Nach dem Ausstieg der Bucerius-Stiftung und des Bauunternehmers Klaus Groth aus dem Projekt sieht sich die Initiative in ihrem Misstrauen bestätigt. Der Architekt und Unternehmer Reinhard Müller, der viel in Berlin gebaut und unter anderem den großen Speicher an der Oberbaumbrücke für „Universal“ umgestaltet hat, will seine Aktivitäten mit Euref toppen. Seine „Konzeptplus“ wird das Gelände bebauen, die neue Euref-AG das gesamte Gelände entwickeln.

Nachbarn waren von Anfang an misstrauisch

„Das ist alles noch nicht gegessen“, sagt Jörn Dargel. Eine Veranstaltungshalle sollte der Gasometer werden, vor Müllers Zeit. Schon vor Jahren waren die Leute aus der Nachbarschaft misstrauisch. Ein bis fast an den Rand mit gläsernen Räumen gefüllter Gasometer macht sie auch nicht froh, dann die 15 Gebäude ringsum, das Verkehrsproblem. Nach Ansicht der Initiative ist es ebenso ungeklärt wie die Baulogistik. Das Gelände müsse bebaut werden, klar, aber nicht so eng wie der Potsdamer Platz. Das Wohnquartier sei doch schon dicht genug. Es gab reichlich Einwände bei der vorgezogenen Bürgerbeteiligung.

Die Anwohner vermissen die Suche nach einem Konsens mit der Nachbarschaft. Der Investor habe, von den Grünen abgesehen, „unglaublichen Rückhalt“ im Bezirk. Die Verwaltung müsse die Realisierbarkeit des Projekts ernsthaft prüfen. Noch sei der veränderte Bebauungsplan nicht beschlossen.

Euref-Sprecher Gerd Hofmann meint, die Anwohner müssten über die Einzelheiten besser informiert werden, etwa über die geplante unterirdische Erschließung. Gesundheitsstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) hält die Stadtverträglichkeit für noch nicht zufriedenstellend geklärt. Das Vorhaben sei „überdimensioniert“.

Nun erfolgt an der Torgauer Straße schon der erste symbolische Spatenstich. Aus einem Stück bislang abgesperrtem, kontaminiertem Brachland soll nach der Bodensanierung ein kleiner Park werden. „Ein Schandfleck auf der Landkarte wird in einen wertvollen Bestandteil des Schöneberger Kiezes verwandelt“, versprechen die Bauherren.

Etliche Nachbarn hoffen, dass es bei dem Park bleibt.

Christian van Lessen

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