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BBI-Flugbetrieb: Tiefflug statt Tiefschlaf

Der BBI-Flugbetrieb zwischen 22 und 6 Uhr ist umstritten. Die Regeln bestimmt das Bundesverwaltungsgericht. Ein Pro und Contra. Was meinen Sie zum Thema?

Wann soll in der Nacht am neuen Flughafen in Schönefeld geflogen werden? Die Entscheidung treffen die Richter des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig voraussichtlich im September – um das Für und Wider streitet man sich jetzt in Berlin und Brandenburg.

Dass bis auf wenige Ausnahmen zwischen null und fünf Uhr Ruhe am Himmel herrschen soll, haben die Richter bereits im März 2006 bestimmt. Jetzt geht es darum, ob das Flugverbot auf die sogenannten Randzeiten von 22 Uhr bis sechs Uhr erweitert wird oder ob zwischen 22 Uhr und null Uhr sowie fünf und sechs Uhr maximal 103 Starts und Landungen zugelassen werden, wie es das Brandenburgische Infrastrukturministerium erlaubt hat. Derzeit darf in Schönefeld auf dem alten Flughafen rund um die Uhr geflogen werden.

Die jetzt vorgesehenen Regelungen für den Nachtbetrieb seien bereits ein Kompromiss, sagt Flughafenchef Rainer Schwarz. In der Kernzeit von 0 Uhr bis 5 Uhr überwiege das Ruhe-Interesse der Anwohner, hatten die Richter 2006 entschieden und deshalb ein weitgehendes Flugverbot erlassen. In den Randzeiten wollten sie nur den Flugbetrieb zulassen, der sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht innerhalb des Tagzeitraumes abwickeln lasse.

Die Flughafengesellschaft hatte nach Umfragen bei den Fluggesellschaften einen Bedarf von durchschnittlich 87 Flügen in den Randzeiten und einen Spitzenwert von maximal 113 Flügen in den verkehrsreichsten Nächten ermittelt. Die Genehmigungsbehörde ließ aber jeweils nur zehn Flüge weniger zu – 77 im Durchschnitt; 103 in der Spitzenzeit.

Weitere Einschränkungen würden den Flughafen und damit die Region unattraktiv machen, hatten vor wenigen Tagen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin, Eric Schweitzer, betont. Zubringerflüge von und zu Drehkreuzen in den Randzeiten seien nicht mehr möglich, und auch die von der Wirtschaft und der Politik gewünschten Interkontinentalverbindungen häufig nur dann, wenn spät gestartet und früh gelandet werden könne. Ein „marktgerechtes Angebot und dessen Ausbau“ wäre bei einem Flugverbot von 22 Uhr bis sechs Uhr nicht mehr möglich, ist auch der Flugexperte Karl-Friedrich Müller überzeugt, der im Auftrag der IHK ein Gutachten zum Nachtflugbetrieb erstellt hat. Schon die jetzt vorgesehenen Einschränkungen könnten „nur unter Schmerzen als Kompromiss zur Berücksichtigung des Lärmschutzes der Anrainer hingenommen werden“, heißt es im Gutachten.

Nachtflüge seien auch wirtschaftlich nicht erforderlich, sagt dagegen Michael Lippoldt von der Initiative „Weg mit Flugrouten über Kleinmachnow“. Nächtliche Frachtflüge würden von der Wirtschaft schon heute kaum nachgefragt, obwohl der 24-Stunden-Betrieb in Schönefeld dies zulassen würde.

Fracht soll in Berlin aber auch in Zukunft wie bereits jetzt vor allem in Passagiermaschinen mitfliegen, kontert man beim Flughafen. Wirtschaftliche Argumente allein dürften aber nicht gelten, entgegnet Lippoldt. Die durch die Flüge gestörte Nachtruhe mache die Betroffenen krank. Allein schon deshalb dürfe es keine Nachtflüge geben.

Anwohner, die direkt betroffen sind, haben deshalb auch einen Anspruch auf Lärmschutz, für den die Richter 2006 die Regeln noch verschärft hatten. Bei Überfliegen in größerer Höhe gilt der noch zu hörende Lärm aber nicht als belastend. Hier gibt es dann auch keinen zusätzlichen Lärmschutz.

Soll das Nachtflugverbot für den Großflughafen BBI ausgeweitet werden?

Pro

Die Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft fordert Opfer: Schlafgestörte, Depressive, Arbeitswütige, Internetjunkies. Nachtruhe ist längst nichts Heiliges mehr, aber an den steigenden Kosten im Gesundheitssystem lässt sich ablesen, dass sich die biologische Uhr nicht straflos manipulieren lässt. Lärm erzeugt Stress, und dessen Folgen sind hinlänglich bekannt. Zur Überwindung des Schlafdrangs hat die Luftfahrtlobby den Euphemismus „Tagesrandzeit“ erfunden. Was früher Nacht war, wird jetzt dem Tag zugeschlagen. Statt acht Stunden müssten doch auch fünf Stunden Schlaf reichen, oder? Winston Churchill kam sogar mit vier Stunden aus. Ökonomisch betrachtet ist das Schlafen ohnehin Zeitverschwendung. Aber Sarkasmus hilft hier nicht weiter. Es ist eine Güterabwägung zwischen ökonomischer Effizienz und menschlichem Wohlbefinden. Dabei gibt es kein plakatives Entweder-Oder. Die Nachtruhe einzuhalten bedeutet nicht automatisch, auf einen florierenden Flughafen zu verzichten. Es erhöht nur den Druck, leisere Flugzeuge zu entwickeln und mehr Luftverkehr auf die Schiene zu verlagern. Alle wollen fliegen, auch die Schlafgestörten. In den „Tagesrandzeiten“ ist es auch so wunderbar billig. Genau deshalb gehören diese Randzeiten abgeschafft. Fliegen muss teurer, mithin wertvoller werden, sonst raubt uns das globalumspannende Vielfliegen zukünftig nicht nur den Schlaf.Thomas Loy

Contra

Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er heute kein Problem. Klaus Wowereit war Mitte der neunziger Jahre gegen den Standort Schönefeld: ungeeignet für einen Großflughafen. Damals drückte Amtsinhaber Eberhard Diepgen (CDU) Schönefeld durch. Heute muss der BBI-Aufsichtsratschef Wowereit dafür Sorge tragen, dass sich die Milliardeninvestition rechnet und Berlins künftiges Tor zur Welt das leistet, was für die Entwicklung der Stadt notwendig ist – unter Beachtung der schutzwürdigen Interessen der Anwohner. Alles eine Abwägungssache. Auch für das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig war dies die Leitlinie. Es hat seiner Zustimmung zum Bau zugrunde gelegt, dass im Süden Berlins ein europaweit konkurrenzfähiger Großflughafen entstehen soll und kein Regional-Airport. Die Richter haben es sich 2006 nicht leicht gemacht. Sie haben für BBI die derzeit noch geltende unbeschränkte Nachtflugerlaubnis gekippt – zum Verdruss mancher Flughafenvertreter. Für den neuen Flughafen gilt deshalb absolute Nachtruhe von Mitternacht bis fünf Uhr früh – so wie auch in Frankfurt oder München. Derzeit landen jede Nacht noch 12 Flüge in Schönefeld. Doch mit Bedacht hat das Gericht Flüge zwischen 22 und 24 Uhr und fünf bis sechs Uhr in eingeschränkter Zahl zugelassen; nur so hat BBI eine Chance, sich als Drehkreuz zu entwickeln. Gerd Nowakowski

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