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Berlin: Beats für Brücke und Baum

Yoga und Techno? Das geht! Alina fügt zusammen, was nicht zusammenpasst. Das ist vor allem ziemlich schweißtreibend.

„Es hat was Schizophrenes, stimmt’s?“, fragt Alina A. Dezente Beats hallen durch einen lichtdurchfluteten Raum im Dachgeschoss eines alten Backsteinhauses. Bei brütender Hitze finden sich hier etwa zehn Personen ein. Sie breiten blaue Matten vor sich aus. Yoga-Abend eines Kunst-, Wellness- und Lifestyle-Festivals. In Neukölln. Natürlich.

Eiswürfel mit Gurken- und Dillgeschmack werden den Teilnehmern gereicht. Man darf sie zur Erfrischung lutschen. A. dunkelt die Fenster ab, es geht los. Aber statt eines meditativen Omm ist da weiter nur dieses leise Nzz-nzz zu hören. Die flauschigen Elektroklänge kommen von einem jungen Mann namens DJ Islandic, der sich am Rande mit Laptop und Mischpult postiert hat.

Techno-Yoga nennt Alina den Kurs, den sie heute zum ersten Mal anbietet, versuchsweise. Er findet in den Räumen des Agora Collective statt, einer Vereinigung von Künstlern und Kreativen, die nahe des Richardplatzes ihren Sitz hat. Sie versucht, Dinge zu vereinen, die auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen: Meditation und Körperbewusstsein mit knackigen Beats. „Ich habe immer Techno und Yoga geliebt, aber in meinem Kopf waren das zwei Paar Schuhe“, sagt die 32-Jährige, die eigentlich in einer Agentur arbeitet und nicht mit vollem Namen genannt werden möchte. „Nun bringe ich die beiden Seiten von mir zusammen.“

Es bleibt vorerst ein Experiment ohne dauerhafte Pläne. Am Wochenende wird sie beim Tech Open Air – einer Gründerkonferenz mit Veranstaltungen in der gesamten Stadt – im Kater Holzig in Friedrichshain einen weiteren Versuch starten. An beiden Tagen wird sie morgens vor Beginn der Konferenz eine Stunde Yoga mit Live-Musik unterrichten.

Einen Markt für skurrile Yoga-Arten gibt es in jedem Fall. Verlässliche Statistiken zum Yoga-Boom gibt es zwar nicht, doch die ständig steigende Zahl der Studios, Lehren, Festivals, Workshops und Seminare sprechen für wachsenden Zuspruch und die Beliebtheit der fernöstlichen Gesundheitslehre. „Die Schattenseite des Booms ist, dass schlecht oder zu kurz ausgebildete Yoga-Lehrende auf den Markt strömen“, sagt Angelika Beßler, Vorsitzende des Bundes Deutscher YogaLehrenden (BDY). Immer neue Stile, Methoden und Schulen tauchen auf. „Nur Neues erweckt Aufmerksamkeit, etwas in Ruhe zu tun und zu vertiefen ist nicht gerade en vogue“, sagt Beßler – und gerade das scheint doch die Grundvoraussetzung beim Yoga zu sein. Doch auch sie sagt: Skurrile Techniken müssten nicht per se schlecht sein.

„Louder, louder, c’mon“, schreit Alina durch den Raum. Der DJ gehorcht. Die Teilnehmer hüpfen von einer Position in die andere. Kobra, Hund, Baum. Es wird anstrengend, viel mit Innehalten ist da nicht, die Hemden werden nass. Passend zur angestrahlten Discokugel tragen sie Knicklichter um die Handgelenke, die wiederum Alinas neongrüne Leoparden-Leggins ganz gut ergänzen. „Einatmen. Ausatmen.“

Schizophren ist das nicht, wie Alina anfangs befürchtet hat. Es ist im Grunde nichts anderes als sehr physisches, sportliches Yoga – eben mit spezieller Musikuntermalung. Alina mag Experimente. „So kommen mehr Leute zum Yoga, und jeder kann schauen, was das Richtige für ihn ist.“ Genauso wichtig ist es ihr aber, dabei die grundlegende Lehre des Yoga nicht zu vergessen. Vor allem, wenn es zu kommerziell wird. Wenn zum Beispiel extra ein neuer Yoga-Stil entwickelt wird, um das passende Parfum dazu zu verkaufen.

Dem Klischee der Yoga-Lehrerin entspricht Alina jedenfalls nicht. Sie hat Businessmanagement studiert, war lange im PR-Bereich tätig. Die 32-Jährige kommt aus Tallinn, hat in Moskau und dann lange in London gelebt. Seit knapp einem Jahr lebt sie in Berlin. „Früher bin ich immer aus London zu den Partys hergeflogen“, sagt sie, „aber ich habe mich hier schon immer sehr heimisch gefühlt.“ Alina hat dabei durch Yoga zur Ruhe gefunden, wie sie sagt. „Ich hatte vorher ein recht aufreibendes Leben.“ Viel Arbeit, viel Party, viele Abstürze. Während sie sich der Techno- und Elektro-Szene weiter verbunden fühlt, ist Yoga – „und seien es nur fünf Minuten am Morgen“ – etwas, das ihr Stabilität gibt.

Am Donnerstag- und Freitagmorgen gibt sie auf dem Tech Open Air Yoga-Stunden. Diesmal soll es etwas ruhiger werden, das Konzept mit DJ und Live-Musik aber will sie beibehalten. Wenn auch mit etwas weniger Nzz-nzz.

Ausprobieren können das alle Teilnehmer des Tech Open Air Festivals, am Donnerstag und Freitag, jeweils um 9.30 Uhr im Kater Holzig, Michaelkirchstraße 23, Mitte. Die Karten für das Festival kosten 50 Euro.

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