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Berlin: Bedrohte Frauen: Das Gesetz lässt sie im Stich

Innerhalb von vier Monaten wurden in Berlin zwei Frauen von ihren Partnern umgebracht, von denen sie sich zuvor getrennt hatten. Dabei hatten die Opfer versucht, sich vor solchen Attacken zu schützen.

Innerhalb von vier Monaten wurden in Berlin zwei Frauen von ihren Partnern umgebracht, von denen sie sich zuvor getrennt hatten. Dabei hatten die Opfer versucht, sich vor solchen Attacken zu schützen. Doch die gesetzliche Lage macht es bedrohten Frauen fast unmöglich, Polizeischutz zu erhalten. Es gibt die Möglichkeit, den Partner anzuzeigen, eine "Bannmeile" zu erwirken oder ins Frauenhaus zu fliehen. Doch all diese Maßnahmen bieten keinen optimalen Schutz. Den beiden Frauen haben sie nichts genützt.

Seher P. fühlte sich von ihrem Partner Ibrahim Yildirim bedroht und zeigte ihn im September des vergangenen Jahres bei einem Neuköllner Polizeiabschnitt an. Nur kurze Zeit später spürte er sie vor der Haustür ihrer Schwester in der Pannierstraße in Neukölln auf und erstach sie und ihren Schwager. Die Polizei war nicht gleich aktiv geworden. Begründung: Die Beweislage lasse nicht auf eine akute Bedrohung schließen. Der Mann hatte einen festen Wohnsitz und war zuvor nie aktenkundig geworden. Ibrahim Yildirim ist noch immer nicht gefasst. Die 37-jährige Arzthelferin Sylvia Z. und eine Kollegin wurden im August 1999 umgebracht, obwohl Sylvia Z. in panischer Angst vor ihrem Ex-Partner ins Frauenhaus geflohen war. Hartmut N. hatte Sylvia Z. in ihrer Arbeitsstelle aufgesucht.

Ines Meyer vom Projekt "Berliner Interventionsprogramm gegen häusliche Gewalt" (BIG) rät solchen Frauen den Gang zum Amtsgericht, das eine "Bannmeile" um Wohnung und Arbeitsplatz anordnen kann. Der Verfolger darf diesen Bereich nicht betreten. Tatsächlich entscheiden Amtsrichter aber großzügig, wenn Frauen um eine solche Verfügung bitten. Wenn Männer Frauen bedrohen und stundenlang vor ihrer Haustür ausharren, gilt das nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch allenfalls als "Eigentumsstörung". Die Frauen müssten glaubhaft machen, dass die "Störung" eine erhebliche Einschränkung ihres Lebensstils bedeute, sagt Karsten Ziegler von der Berliner Justizpressestelle.

Claudia K. haben weder der Gang zur Polizei, mehrfache Anzeigen wegen Bedrohung, die Anordnung des Amtsgerichts, ihr ehemaliger Freund dürfe sich ihr nicht mehr als 30 Meter nähern, noch ihr Untertauchen bei einer Freundin etwas genützt. Die 29-jährige Frau aus Reinickendorf wurde am 21. Dezember, knapp zwei Jahre nach der Trennung, von ihrem Ex-Freund erst verschleppt und dann erschossen. Später nahm sich der Täter das Leben.

Im Projekt "Berliner Intiative gegen häusliche Gewalt" (BIG) werden 1200 Polizeischüler während ihrer Ausbildung für das Thema sensibilisiert. Ebenso will Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD) im Rahmen ihrer Bestrebungen, das Zivil- und Strafrecht grundlegend zu reformieren, den zivilrechtlichen Schutz von misshandelten Frauen stärken. Ines Meyer vom BIG sagt, selbst in England, wo das Zivilrecht besser entwickelt ist, kämen Beziehungstaten mit Todesfolge vor.

Suzan Gülfirat

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