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Berlin: Befriedete Bezirke: Drei demofreie Plätze in Berlin

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) ist seinem Ziel ganz nah: In der Innenverwaltung arbeiten die Juristen an einem Gesetzesentwurf über befriedete Bereiche am Brandenburger Tor, dem Holocaust-Mahnmal und der Neuen Wache mit dem Anliegen, dort Demonstrationen zu verhindern. Im November sollen die Innenminister dem Entwurf zustimmen, im kommenden Jahr könnte er in Kraft treten.

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) ist seinem Ziel ganz nah: In der Innenverwaltung arbeiten die Juristen an einem Gesetzesentwurf über befriedete Bereiche am Brandenburger Tor, dem Holocaust-Mahnmal und der Neuen Wache mit dem Anliegen, dort Demonstrationen zu verhindern. Im November sollen die Innenminister dem Entwurf zustimmen, im kommenden Jahr könnte er in Kraft treten. Seit über einem Jahr schon kämpft Werthebach gegen missliebige Versammlungen - lange vor den spektakulären Aufmärschen der NPD am Tor. An Begründungen mangelt es nicht: Fast ein halbes Dutzend Argumentationen liegt auf dem Tisch, warum Versammlungen in der City-Ost untersagt werden sollten.

Seit den Demonstrationen der NPD argumentiert die Union, mit einem rigider gefassten Versammlungsrecht Aufzüge von Rechtsextremisten verhindern zu wollen. Die Debatte begann allerdings wesentlich früher und nicht nach einer rechten, sondern nach einer linken Versammlung: nach der Störung des öffentlichen Gelöbnisses der Bundeswehr am 20. Juli 1999 durch antimilitaristische Gruppen. Solche Vorkommnisse dürften sich in Berlin nicht wiederholen, forderten am Tag danach der Vizepräseident des Bundestagses, Rudolf Seiters (CDU), und sein Fraktionskollege Peter Ramsauer. Innensenator Werthebach schlug eine strengere Bannmeilen-Regelung vor und plädierte für eine neue Diskussion um den befriedeten Bezirk rund um den Reichstag.

Die CDU hatte sich nie mit der von der rot-grünen Regierung beschlossenen Regelung über einen befriedeten Bezirk anfreunden können. In dem Gesetz heißt es: "Die befriedeten Bezirke sind (... ) so groß wie nötig, um die Erreichung des Schutzzweckes zu gewährleisten, andererseits aber so klein wie möglich, um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht übermäßig zu beeinträchtigen." Das heißt: In der sitzungsfreien Zeit darf demonstriert werden.

Im Herbst vergangenen Jahres forderte der Innensenator dann erfolglos, die Einschränkung des Demonstrationsrechts in die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Die steigende Zahl an Demonstrationen drohe, die östliche Innenstadt lahmzulegen, kritisierte Werthebach. Es müsse gefragt werden, ob es im Sinne des Grundgesetzes sei, dass die freie Entfaltung der Bevölkerungsmehrheit immer öfter ausgeschlossen sei, "weil Minderheiten die Versammlungsfreiheit exzessiv wahrnehmen". Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Roland Gewalt, sekundierte, es sei fraglich, ob das Recht der Demonstranten mehr zähle als das Recht der Autofahrer, die im Stau stehen müssten, oder das Recht der Konsumenten, die am Einkaufen gehindert würden. "Das sind Situationen, die nicht mehr vertretbar sind", so Gewalt. "Teilweise sind die Bürger nicht mehr in ihre Wohnungen gekommen, weil die Absperrmaßnahmen der Polizei dies verhindert haben." Schließlich seien auch die antijüdischen Äußerungen von arabischen Demonstranten ein Problem.

Rund 1400 Kundgebungen hatte die Polizei in der ersten Jahreshälfte gezählt, ein Rekord. Damit sei die Polizei überfordert, kritisierten andere Unionspolitiker. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Zeitlmann beschwerte sich, er werde häufiger durch die Polizeiabsperrungen behindert und habe Probleme, in sein Büro zu gelangen. Werthebachs damaliger Sprecher Norbert Schmidt kündigte daraufhin im Herbst 1999 an, Berlin werde die anderen Bundesländer um ihre Erfahrungen mit Demonstrationen bitten und rechtliche Möglichkeiten prüfen.

Die meisten Bundesländer hatten allerdings keine Demo-Probleme. Nordrhein-Westfalen teilte mit, Berlin könne "von Bonn noch einiges im Umgang lernen". Vor allem Bayern unterstützte das Berliner Anliegen, ohne aber selbst in Schwierigkeiten mit Versammlungen zu sein.

Das alles änderte sich, als einige Hundert Rechtsextremisten am 29. Januar 2000 durch das Brandenburger Tor liefen. Die Bilder gingen um die Welt und ihnen folgte ein Aufschrei der Empörung. Das Ziel sei, argumentierte Werthebach von da an, "extremistische Aufmärsche in der historischen Mitte Berlins (... ) zu verhindern". Die SPD, die Grünen und die PDS waren in Berlin gegen eine Einschränkung und sind es überwiegend bis heute. Das gleiche gilt für die Grünen und die PDS auf Bundesebene und die SPD-Fraktion im Bundestag. Einen gewichtigen Fürsprecher hat Werthebach allerdings seit der jüngsten Debatte über den wachsenden Rechtsextremismus gewonnen: Bundsinnenminister Otto Schily. Das, hofft der Senator, bringt nun den Durchbruch.

Holger Stark

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