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Schwarz-Rot-Wild.

© dpa

Fußball-WM in Berlin: Bei Abpfiff Einsatz

Alle deutschen Fans hoffen auf einen Sieg gegen England. Doch falls die Mannschaft erfolgreich ist, erwartet die Polizisten vom Abschnitt 26 heute eine schier unmögliche Aufgabe. Sie sollen Autokorsos auf dem Ku’damm verhindern.

Selten würde die Teilsperrung der City West so viel Begeisterung hervorrufen wie an diesem Sonntag. Denn sollte zwischen Wittenbergplatz und Fasanenstraße nach 18 Uhr kein Durchkommen mehr sein, bedeutet das: Jogis Männer haben die vermeintlichen Erzfeinde von der Insel auf diese zurückgeschickt, Deutschland ist im Viertelfinale. Der Abpfiff des deutschen Triumphs wäre der Anpfiff für die nächste schwarz-rot-goldene Siegesfeier auf der Jubelmeile Ku’damm. 6500 Fans waren am Mittwoch nach dem Weiterkommen gegen Ghana gekommen, heute könnten es mehr als doppelt so viele werden. Mittendrin im kollektiven Glückstaumel und doch nicht ganz dabei: die Berliner Polizei. Obwohl die Beamten lieber mitfeiern würden, müssen sie dafür sorgen, dass alles glattgeht.

Schon zu Spielbeginn schickt Abschnittsleiter Burkhard Sonntag 100 Polizisten hin. Weil Deutschland spielt. Je nach Anzahl der zu erwartenden Feierwütigen teilt die Polizei die Spiele in fünf Phasen ein, England gegen Deutschland gehört zur zweithöchsten. Bei Algerien gegen Slowenien wäre nur der Streifendienst unterwegs. Die Beamten sollen auf dem Ku’damm Stellung beziehen, den Bereich frühzeitig für den Verkehr sperren. Nach Spielende soll es zu keinem Autokorso innerhalb der Absperrung kommen, Fußvolk und Motorisierte sollen getrennt bleiben. Was in der Theorie ganz einfach klingt, ist im Alltag nahezu unmöglich. „Das ist ein Katz-und- Maus-Spiel“, sagt Sonntag. Die Leute würden ihre Autos schon am Nachmittag abstellen und die letzten Minuten des Spiels auf dem Handy verfolgen, nur um sich danach im Auto feiern zu lassen.

Sonntag, 44, leitet den Polizeiabschnitt 26 und kümmert sich heute um Jubelfeier und Autokorso rund um den Breitscheidplatz. Am Mittwoch war Dirk Gerasch vom Abschnitt 27 verantwortlich. Weil die Grenze der beiden Abschnitte genau durch die Jubelmeile verläuft, wechselt man sich ab. Sollte Deutschland ins Halbfinale kommen, wechseln die Zuständigkeiten wohl erneut, dann wäre die nächsthöhere Ebene dran. Die erste Halbzeit verbringt Sonntag in der eigens errichteten Einsatzzentrale auf dem Abschnitt in der Rudolstädter Straße. Dort kann er das Spiel auf einer Leinwand verfolgen, er muss es sogar. Je nach Verlauf müssen die Kollegen auf der Straße wissen: Kommen tausende deutsche Fans oder kann die Straße wieder freigegeben werden, was bei einem Sieg der Engländer der Fall wäre? Während wenige hundert Meter entfernt mehr als 200 000 Fans auf der Fanmeile im Tiergarten gebannt auf riesige Leinwände starren, bekommen die Polizisten auf der Straße wenig vom Spiel mit. Handy und Radio sind nur ein schlechter Ersatz für den Fernseher. In manchen Einsatzwagen läuft die Begegnung auf Laptops. Mit Fahnen und Schals zu ihrem Land bekennen dürfen sich die Polizisten nicht. Fanartikel sind sowohl in den Revieren als auch auf der Straße verboten, die Beamten müssen neutral bleiben.

Burkhard Sonntag kennt die Jubelfeiern wie kaum ein Zweiter. Seit 2001 ist er bei ihnen im Einsatz, bei der WM 2006 passte er selbst noch stundenlang am Ku’damm auf. Mit Ärger rechnet er heute nicht, dafür aber mit bis zu 13 000 deutschen Fans. Wenn die Straftaten begehen, schreitet die Polizei ein, bei Ordnungswidrigkeiten hat sie einen Ermessensspielraum, erklärt Kollege Dirk Gerasch vom Abschnitt 27: „Es wäre Irrsinn, gegen einen hupenden Autofahrer einzuschreiten.“ Zu schaffen machen den Abschnittsleitern Feuerwerk und illegale Böller. „Da gibt es leider oft Verletzte mit Knalltrauma“, sagt Gerasch. Kritisch betrachten beide auch, dass die Feier nach dem Spiel zum Event geworden ist. „Es geht doch kaum noch um Fußball“, meint Gerasch. „Das ist für mich wie Karneval im Sommer.“ Verkleiden, Alkohol trinken, sich singend in den Armen liegen.

Sonntag lobt die deutschen Fans: „2006 hat sich rausgestellt, dass wir Deutschen auch gut feiern können.“ Mit ein bisschen Glück wird der Ku’damm noch bis zum 11. Juli zum schwarz-rot-goldenen Jubeldamm, dann ist Finaltag. Wie viele Fans bei einem WM-Sieg die City West lahmlegen würden, mag sich Gerasch gar nicht vorstellen: „Das ist ja jetzt schon kaum zu toppen.“ Auch wenn sie bei einem Ausscheiden Deutschlands weniger zu tun hätten, schieben Gerasch und Kollegen gerne WM-Party-Dienst. Jeder weitere Einsatz ist schließlich auch ein Schritt zum deutschen Turniersieg.

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