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Berlin: Bei den Gehältern sind deutsche Lehrer Spitze

Selbst wenn Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen werden, liegen die Pädagogen im Weltvergleich noch ganz vorne

Es war einmal ein reiches Land, das hieß Deutschland. Es leistete sich richtig teure Lehrer, und das war in Ordnung, denn das Geld war schließlich da. Nach und nach wurde das Land aber immer ärmer: Es hörte auf, seine Grünanlagen zu pflegen, seine Schulen zu renovieren und seine Straßen zu sanieren. Nur die Lehrergehälter blieben hoch, denn die Gesetze wollten es so. Irgendwann passten das Land und die Lehrerbesoldung nicht mehr zusammen...

Ein Blick auf den Vergleich, den die OECD – die Spitzenorganisation westlicher Industrieländer – 2002 veröffentlichte, zeigt: Deutschlands Lehrer gehören – gleich nach denen der Schweiz – zu den Spitzenverdienern. Es scheint, als sei ein in krasses Missverhältnis entstanden zwischen dem, was der Staat sich noch leisten kann und den Beträgen, die für Lehrergehälter ausgegeben werden. Das trifft besonders für Berlin zu, das mehr Schulden hat als die meisten anderen Bundesländer.

Die Lehrergehälter stehen nicht nur in einem Missverhältnis zu den maroden öffentlichen Haushalten, sondern auch zu anderen Berufen. So erhält die größte Gruppe der Hochschulprofessoren (früher C3, jetzt W2) nur zwischen 80 und 400 Euro mehr als ein Studienrat mit A13-Besoldung. Viele Hochschulvertreter fragen sich, ob dies nicht eine Entwertung des akademischen Grades bedeutet: Wozu habilitieren, wenn ein Staatsexamen ganz ähnliche Gehaltsperspektiven bietet?

Im Schnitt kostet ein Studienrat als Beamter (West) das Land fast 49000 Euro (Gehaltsgruppe A13). Im Ost-Teil sind es knapp 43500. Bei den angestellten Lehrern liegen die Kosten noch höher, weil das Land ja auch noch für Renten- und Arbeitslosenversicherung aufkommen muss: Ein Lehrer mit BAT2a schlägt mit 64700 Euro (West), bzw. knapp 58000 Euro (Ost) im Etat zu Buche.

Bei all dem muss man bedenken, dass Deutschland bei den Bildungsausgaben unter dem OECD-Durchschnitt liegt – trotz der hohen Personalausgaben. Daraus folgt, dass für alle anderen Investitionen, von den Schulgebäuden über die Lernmittel bis hin zur Ganztagsbetreuung, im Verhältnis viel weniger Geld zur Verfügung steht als in anderen OECD-Ländern: Fast der gesamte deutsche Bildungshaushalt fließt in die Gehälter.

Berlins Senat hat inzwischen die Notbremse gezogen und betreibt den Ausstieg aus der bundesdeutschen Besoldungsordnung. Damit sind beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld Abzüge möglich. Wenn es so weit kommt, werden Berlins Lehrer bis zu acht Prozent ihres Jahreseinkommens einbüßen. Damit fallen sie aber nur von Platz zwei auf Platz drei des OECD-Gehaltsvergleichs: Neben den Schweizern werden dann noch die Dänen mehr verdienen als die Deutschen.

Dennoch birgt der Ausstieg aus der Bundesbeamtenbesoldungsordnung ein Risiko für Berlin. Denn das Land wird voraussichtlich viele junge Lehrer an die alten Bundesländer verlieren. Wer will schon in Berlin Lehrer werden, wenn sich in Hessen oder Hamburg acht Prozent mehr verdienen lassen? Viele angehende Lehrer geben zu, dass ein 13. Monatsgehalt für sie sehr wohl ein Grund sein könnte, Berlin zu verlassen. In den vergangenen Jahren gingen hunderte junger Lehrer in die alten Bundesländer, weil Berlin aus finanziellen Gründen knauseriger mit unbefristeten Stellen war.

Eine neue „Fluchtwelle“ unter jüngeren Lehrern könnte ernste Folgen haben. Denn in Berlin und den westlichen Bundesländern rollt die Pensionierungswelle. Allein in Berlin wird in den nächsten zehn Jahren rund ein Drittel der Lehrer ausgetauscht. Dann müssen rund 10000 Stellen neu besetzt werden. In einigen Fächern herrscht schon jetzt Lehrermangel. Und Nachwuchs ist – besonders bei den Naturwissenschaften – nicht in Sicht. Engpässe gibt es auch bei den Englischlehrern. In den neuen Bundesländern gibt es starken Nachholbedarf im Fach Englisch und gleichzeitig stellt die flächendeckende Einführung von Frühenglisch in der Grundschule viele Schulverwaltungen vor das Problem des Fachlehrermangels.

Was es bedeutet, wenn Gehälter nicht konkurrenzfähig sind, erfahren die Hochschulen schon jetzt: Immer wieder kommt es vor, dass gute Kräfte bei den Gehaltsverhandlungen abspringen, weil die Berliner Hochschulen weniger attraktive Arbeitsbedingungen bieten können als etwa die Uni München: weniger Gehalt, keine teuren Labors, zu wenig Assistentenstellen, heißt es aus den Berliner Universitäten.

Dass ein hohes Gehalt nicht immer zu Spitzenleistungen anspornt, beweist die OECD-Studie von 2002. Sie verglich nicht nur die Lehrergehälter, sondern auch die Zufriedenheit der Schüler. 42 Prozent der deutschen Schüler gaben an, dass sich die Lehrer für ihren Lernfortschritt interessierten. Nur die Hälfte der Kinder aus den unteren sozialen Schichten berichtete, dass ihnen der Lehrer bei der Arbeit hilft oder so lange erklärt, bis alle Kinder den Stoff verstanden haben.

Susanne Vieth–Entus

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