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Berlin: Bei den Vetters hat’s gefunkt

Reinickendorf. Vom Balkon der im zehnten Stockwerk gelegenen Wohnung an der Neheimer Straße geht der Blick weit über den Tegeler See.

Reinickendorf. Vom Balkon der im zehnten Stockwerk gelegenen Wohnung an der Neheimer Straße geht der Blick weit über den Tegeler See. Doch seit 1998 gleich links auf dem Nachbarhaus die ersten Mobilfunkantennen installiert wurden, ist die Idylle der Mieter gestört. Anneliese und Gerhard Vetter klagen – wie viele Nachbarn – über Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme. Der 79-Jährige ist überzeugt, unter einem unsichtbaren Zelt aus Elektrosmog zu leben, seine vier Jahre jüngere Ehefrau macht sich Sorgen um die Kinder in der Tagesstätte.

Die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling hatte deshalb gestern zum Pressetermin gebeten, auch drei Vertreter von Netzbetreibern waren zu Gast. Auch wenn die Funkstationen die vorgeschriebenen Grenzwerte einhalten und Gesundheitsgefahren bisher nicht nachgewiesen wurden, sind die Betroffenen skeptisch. Die Politikerin referierte neue Bedenken spanischer Wissenschaftler, deren Theorien allerdings umstritten sind. Erbgutschädigungen, beschleunigtes Tumorwachstum sowie Beeinträchtigungen der Drüsenfunktion und der Denkfähigkeit sind mögliche Folgen der Strahlung, sagt Frau Hämmerling. E-Plus-Regionaldirektor Michael Böhme verweist auf die strengen Bestimmungen in Deutschland. Bei der Zulassung werde auch die Feldstärke bereits vorhandener Sender für den jeweiligen Standort berücksichtigt. Die Verunsicherung der Betroffenen kann er nicht zerstreuen. Auf dem Nachbarhaus sind bereits die Masten für die neue UMTS-Technologie installiert, die eine höhere Sendeleistung benötigt. Für Gerhard Vetter steht fest: „Die Dinger müssen weg“. Zumindest auf Kita-Dächern werden die Antennen in Reinickendorf nicht zugelassen, sagte Jugendstadtrat Peter Senftleben (SPD). In Charlottenburg- Wilmersdorf beispielsweise sind alle öffentlichen Gebäude tabu, Spandau hat den Masten eine 250-Meter-Distanz zu Wohngebieten, Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen und Kliniken verordnet.

In Nordrhein-Westfalen, so wusste Claudia Hämmerling zu berichten, werden nach einem jüngsten Gerichtsurteil die Antennen in reinen Wohngebieten wieder abgebaut, weil sie eine Änderung der zulässigen Baunutzung bedeuten. Heute wollen die Grünen einen Antrag ins Abgeordnetenhaus einbringen. Darin fordern die Grünen die generelle Festlegung der 250-Meter-Schutzzone für alle sensiblen Bereiche, die Veröffentlichung der Leistungsparameter aller Sender im Internet sowie eine Absenkung der Grenzwerte auf das bei einem Zehntel liegende Schweizer Niveau. Das bedeutet zwar ein dichteres Antennennetz, aber weniger Belastung der einzelnen Standorte. Abschaffen wolle man den Mobilfunk als „notwendige Technologie“ nicht, sagt die Abgeordnete, die selbst ein – wie sie betont geborgtes – Handy in der Handtasche trägt.Rainer W. During

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