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Die Aufklärung des Unfallhergangs wird noch einige Zeit dauern.

© dpa

Update

Hubschrauber-Unglück: Grüne und Linke: Übung am Olympiastadion hätte abgebrochen werden müssen

Im April soll ein erster Bericht zur Ursache des Hubschrauber-Unglücks am Olympiastadion in Berlin vorliegen. Grüne und Linke im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierten die Anti-Hooligan-Übung unterdessen als "unverhältnismäßig".

Einen Tag nach der Kollision zweier Hubschrauber der Bundespolizei bei einer Anti-Hooligan-Übung nahe des Olympiastadions mehren sich kritische Stimmen, die den Übungseinsatz mit Helikoptern bei einer derart schwierigen Wetterlage als "aberwitzig" oder "unangemessen" verurteilen. Im Berliner Abgeordnetenhaus rügten am Freitag die sicherheitspolitischen Sprecher der Fraktionen von Grünen und Linken den Einsatz.

Aus Sicht von Benedikt Lux (Grüne) war schon alleine "das Szenario der Übung gänzlich unrealistisch." Es sei doch höchst unwahrscheinlich, dass viele Hooligans bei Eiseskälte und Schneetreiben am S-Bahnhof Olympiastadion aufeinander losgingen. Lux: "Um einen Hubschraubereinsatz zu rechtfertigen, müsste es ja schon eine richtig große Prügelei gegeben haben." Die Bundespolizei habe die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, sie hätte die Übung "sicherheitshalber" abblasen müssen. Und für kleinere Prügeleien hätte ja auch ein Trupp Polizisten im Mannschaftswagen gereicht, meint der Grüne.

Ähnlich sehen es der linke Fraktionschef Udo Wolf und der Polizei-Experte der Linken, Hakan Tas. Die Verantwortung für das Unglück dürfe nicht nur bei den Piloten gesucht werden, sagt Tas. Angesichts des Wetters wäre ein solcher Einsatz "nur bei einer echten Notlage" gerechtfertigt gewesen. Linke und Grüne wollen diese Vorwürfe und "die vielen noch offenen Fragen", so Udo Wolf, bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus zur Sprache bringen.

Dabei können sie allerdings kaum mit einer Unterstützung durch die Koalitionsfraktionen rechnen. Die sicherheitspolitischen Sprecher von SPD und CDU stellen sich eher hinter die Bundespolizei. Ernstfälle müssten auch bei schwierigen Wetterlagen geübt werden, meint Thomas Kleineidam (SPD). Die Polizei müsse auch in Extremsituationen einsatzfähig sein. "Sie kann ja nicht, wenn es wirklich notwendig ist, Zuhause bleiben." Und Robbin Juhnke von der CDU ergänzt, man wolle ja "keine Schönwetterpolizei." Natürlich müssten nun die Ursachen des tragischen Unfall untersucht und Konsequenzen gezogen werden. Aber, so Juhnke: "Die Polizei muss eben für alle Eventualitäten gerüstet sein."

Man könne keine Übungen "unter Laborbedingungen" veranstalten, stimmte ihm der Vorsitzende der Berliner Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, zu. Im übrigen ist Pfalzgraf überzeugt, dass die Übung sofort gestoppt worden wäre, "wenn die Piloten sie angesichts des Wetters als zu gefährlich eingeschätzt hätten." Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) will im April einen ersten Bericht zur Hubschrauber-Kollision am Berliner Olympiastadion vorlegen. Die Untersuchung zur Ursache werde aber längere Zeit dauern, sagte ein Sprecher der Behörde in Braunschweig am Freitag. Die BFU versuche, sie innerhalb von zwölf Monaten abschließen zu können. Die Experten müssen klären, ob ein technischer Defekt der Maschine, die den Zusammenstoß verursachte, zu dem Unglück führte, oder ein Versagen von deren Piloten.

Die Unglücksstelle am Maifeld gleich neben dem Olympiastadion.
Die Unglücksstelle am Maifeld gleich neben dem Olympiastadion.

© Tsp

Auch eine mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung des Mannes am Steuer, beispielsweise ein kurzer Bewusstseinsschwund, müsse in Betracht gezogen werden, heißt es. Ob der Pilot bei dem Unglück verletzt wurde und ob er inzwischen schon befragt werden konnte, ist bislang noch unklar. Die Pilotenvereinigung Cockpit hält Schneeverwirbelungen für einen möglichen Auslöser der Kollision. In die Untersuchungen ist auch die Berliner Staatsanwaltschaft einbezogen. Sie muss klären, ob ein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorliegt. Die anfangs eingeschaltete Mordkommission der Berliner Polizei hat ihre Ermittlungen wieder eingestellt, nachdem eine Obduktion des getöteten Piloten ergab, dass dieser an den schweren Verletzung starb, die er bei dem Unglück erlitt.

Ein Pilot starb, vier Polizisten wurden schwer verletzt.

Bei einer Großübung der Bundespolizei sind am Donnerstagvormittag zwei Hubschrauber mit mehreren Dutzend Beamten, die sie zum Einsatzort brachten, am Olympiastadion in Berlin verunglückt. Ein Pilot starb, vier Polizisten wurden schwer verletzt, mehrere weitere leicht. Das Unglück ereignete sich gegen 10.30 Uhr auf dem Maifeld, gleich neben dem Olympiastadion.

Drei Hubschrauber der Typen Puma und Eurocopter waren im Anflug, um eine Spezialeinheit der Bereitschaftspolizei abzusetzen, die gegen sich prügelnde Hooligans auf dem S-Bahnhof Olympiastadion vorgehen sollte – so sah es das Drehbuch vor. Die Bundespolizei führte die Übung durch, weil sie für die Bahnanlagen zuständig ist und von der Berliner Polizei in besonders schwierigen Situationen zur Unterstützung herbeigerufen werden kann. Zunächst landeten zwei Pumas kurz nacheinander auf dem Platz, auf dem etwa 20 Zentimeter Schnee lagen, sie wirbelten eine ungeheure Schneemasse auf, die Augenzeugen völlig die Sicht nahm. In jedem Helikopter saßen 20 bis 25 Polizisten.

Die letzte landende Maschine vom Typ Eurocopter 155 wartete offensichtlich nicht, bis sich das Schneegestöber nach den vorherigen Landungen gelegt hatte und versuchte ebenfalls zu landen. Dabei setzte sie höchstwahrscheinlich auf dem an zweiter Stelle gelandeten Puma auf. Dessen Pilot kam dabei nach den bisherigen Informationen ums Leben.

Am Abend wurden die beiden abgestürzten Hubschrauber aus dem Maifeld vom THW abtransportiert.
Am Abend wurden die beiden abgestürzten Hubschrauber aus dem Maifeld vom THW abtransportiert.

© Thomas Schröder

Durch die Kollision der Maschinen kam es zu einem lauten Knall. Da sich die Rotoren der Maschine noch drehten, brachen diese auseinander und flogen in Fetzen viele Meter weit. Die Pumas kippten um. Herumfliegende Hubschrauber-Teile zerstörten sogar einige Fensterscheiben des Olympiastadions. Aus dem Pulk der wartenden Beamten und Journalisten wurde ein Reporterin leicht verletzt.

Erst am Nachmittag konnte der getötete Pilot geborgen werden. Gestorben ist der Pilot der zweiten Maschine, 42 Jahre alt, der den Unfall nicht selbst verursacht hat. Die Feuerwehr sorgte den Tag über mit Löschschaum dafür, dass sich das ausgelaufene Kerosin nicht entzündet, am Abend transportierte das Technische Hilfswerk die zerstörten Helikopter ab. Der dritte, unbeschädigte Helikopter konnte von dort weggeflogen werden. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der sofort zur Unfallstelle geeilt war, sprach von einem „schrecklichen Unglück“.  Auch Innensenator Frank Henkel und Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt informierten sich am Olympiastadion. Die Übung, an der 400 Polizisten teilnahmen, wurde abgebrochen, die Feuerwehr löste einen Großeinsatz aus.

Unter Flugexperten ist es ein bekanntes Problem, dass bei Landeanflügen oft so viel Schnee aufgewirbelt wird, dass dadurch die Sicht stark eingeschränkt wird. Hierzu gibt es sogar ein eigenes Forschungsprojekt. Möglicherweise sei es - im Vorhinein betrachtet - sogar sinnvoll gewesen, die Übung heute durchzuführen, da Helikopter auch bei grenzwertigem Wetter aufsteigen müssen, sagte ein Mitarbeiter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung im Braunschweig, die den Unfall untersucht. "Wir tragen derzeit die Fakten zusammen, einen ausführlichen Bericht wird es aber erst in zwei Monaten geben."

Beide Hubschrauber sind allwetter- und nachtflugtauglich. Das schlechte Wetter am Donnerstag, bei dem Intsrumentenflugbedingungen herrschten, sei keine Hindernisgröße für den Einsatz der Maschinen bei der Übung gewesen, sagen Experten. „Dass Transportflüge auch bei schlechtem Wetter stattfinden müssen, ist selbstredend.“

Thomas Weber, der Polizeireporter von Radio Eins, war bei der Übung vor Ort. Er berichtete live im Radio von seinen ersten Eindrücken: "Es hat einen Zwischenfall gegeben."

Während das Unglück passierte, hatten Hertha-Profis auf dem Olympiagelände trainiert. "Wir haben davon nichts mitbekommen", sagt Herthas Kapitän Peter Niemeyer.

Podcast: Hubschrauber-Crash am Olympiastadion:

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