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Berlin: Beim Feiern sind sie alle Sieger

Auf den Wahlpartys der Parteien lagen Glück und Enttäuschung nah beieinander. Und mancher redete sich das Ergebnis schön

SPD: Die Stimmung ist gut, aber nicht ausgelassen, im einstigen Techno-Club E-Werk. Soeben ist Klaus Wowereit, begleitet von einem Dance-Smash-Hit zum Mitklatschen, aus dem Saal gegangen, da wenden sich die mehreren hundert Genossen dem Krustenbraten und ihrem Bier zu. Erleichtert sind sie alle, das merkt man. Aber sie haben noch einen Wunsch offen: Die neue Koalition möge eine rot-grüne sein. Bei der Bekanntgabe der Hochrechnungen jubelt die Basis am lautesten, wenn diese Regierungsoption genannt wird. Die allesamt anwesenden SPD-Senatoren halten sich erwartungsgemäß mit einer Aussage für den einen oder anderen Koalitionspartner zurück. Auch Hans Stimmann, scheidender Senatsbaudirektor, bleibt reserviert: „Die sind ideologisch anders gestrickt als die Linkspartei und wahrscheinlich auch härter.“ Am frühen Abend ist außer Niels Annen und DGB-Chef Michael Sommer wenig Prominenz da. Das sollte sich am späteren Abend ändern. Dann wurde Parteichef Kurt Beck im E-Werk erwartet. oew

CDU: Sie sind Kummer gewöhnt, und vielleicht treffen deshalb die ersten Umfrage-Ergebnisse bei der CDU-Wahlparty auf stoische Gesichter. Kein Aufschrei, kein Fluch ist zu hören – trotz historischer Niederlage. Nach vorne sehen, heißt mal wieder die Devise. Und als da auf der Großleinwand das Ergebnis der PDS auftaucht, scheint der Abend gerettet. Die Menschen klatschen, jubeln, johlen. Und auch der ehemalige Spitzenkandidat Frank Steffel schaut nicht mehr so düster in die Runde. „Offenkundig sind die kleinen Parteien die Sieger“, sagt Steffel und das spreche ja wohl vor allem für eine These: Die Bundespolitik ist schuld. Es ist heiß zwischen den Stehtischen, die Gäste fächeln sich Luft zu, aber trotzdem sind am Buffet Kassler und Sauerkraut der Renner. Viel Prominenz ist nicht erschienen, aber alle anderen verstehen die Einladung zur Wahlparty offenbar als Parteiauftrag. Spitzenkandidat Pflüger und sein Gefolge werden klatschend wie Sieger empfangen. „Die CDU ist wieder da!“, ruft Pflüger. An des Kaisers neue Kleider fühlt sich hier niemand erinnert. kf

Linkspartei: Es gibt Bratwurst und Bier aus Plastikbechern, auf der Bühne spielt eine Dixieland-Kapelle. Wer die CDU für eine spießige Partei hält, sollte mal eine Wahlparty der PDS besuchen. Es geht um sechs so schön los für die Dunkelroten, als die Verluste der Union über die Videoleinwand flimmern. Die Genossen applaudieren noch, da wird ihr eigenes Ergebnis eingeblendet. Stille herrscht im Zelt am Schloßplatz. „Das ist … äh … ein Resultat, das man noch mal analysieren sollte“, sagt Moderator Hanno Harnisch. Aber so ein Trend sei ja noch keine Hochrechnung. Doch auch die Hochrechnung wird nicht besser, aber sie ist ja noch kein Ergebnis, so geht das weiter, bis der Parteichef kommt. Lothar Bisky sagt: „Ein besseres Ergebnis wäre besser.“ Die Regie spielt Schnipsel der Wahl-Livesendung ein und blendet sofort wieder aus, wenn kein PDS-Politiker interviewt wird. Die Wende zum Besseren schafft, na wer wohl, Gregor Gysi. Sein Schlusswort: „Wer keine Niederlage erlebt, wird nicht klüger, sondern arroganter.“ 500 kluge Genossen applaudieren. gol

Grüne: So gelb haben die Sonnenblumen schon lange nicht mehr geleuchtet wie gestern Abend im Kaisersaal am Potsdamer Platz, wo Bündnis 90/Die Grünen ihren überragenden Stimmengewinn feierten. Bei jeder Hochrechnung war der Jubel groß, die Zugewinne der Rechtsextremen in Mecklenburg-Vorpommern wurden mit Buhrufen bedacht.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland sagte, er wisse schon von Berliner Sozialdemokraten, die in ihren Reihen für Rot-Grün werben wollen, „die wollen das aber selbst öffentlich mitteilen“. Eine Dreier-Konstellation würde Wieland wie vielen anderen Feiernden gar nicht behagen, „wir haben das ja schon mal abgelehnt, zur Not müssten wir das aber tun.“ Das Plus seiner Partei erklärt Wieland unter anderem damit, „dass wir uns als Innenstadtpartei etabliert haben – jetzt hoffen wir auf die rot-grüne Dynamik.“

Draußen vor der Tür freute sich Niels Münzberg vom Landesvorstand nicht nur über den lauen Sommerabend. „Wir haben jetzt so oder so als größere Fraktion die Chance, inhaltlich noch mehr zu bewegen.“ kög

FDP: Es war ganz sicher eine gute Idee, die Wahlparty der Berliner Liberalen in die Reinhardtstraße in Mitte, den Sitz der Bundeszentrale der Partei, zu legen. Nicht so sehr wegen des eigenen Ergebnisses. Denn als um 18 Uhr die ersten Prognosen mit 7,5 Prozent über die Bildschirme flirrten, da raunte es schon ein bisschen enttäuscht im Saal: „Da wär’ doch noch mehr gegangen.“

Aber dann folgte auch schon Mecklenburg mit 10 Prozent, und schon war ganz Deutschland ein einzig gelb-blaues Siegerland. Ist ja schließlich auch gar nicht so weit weg, diese „Badewanne“ im Norden. Also schließlich doch noch frohe Stimmung in der Reinhardtstraße, selbst, als FDP-Generalsekretär Dirk Niebel seine Partei versehentlich eine „gesamtdeutsche Oppositionspartei“ nannte.

Alles in allem habe die FDP ein „respektables“ Ergebnis erzielt, sagte ein Mitglied des Landesvorstandes am späteren Abend. Und Spitzenkandidat Martin Lindner versicherte auch noch nach zweieinhalbstündigem Interviewmarathon im Fernsehen: „Mir geht es heute Abend richtig gut.“ asi

WASG: Die Anhänger der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mussten gestern Abend erst einmal warten. Die Übertragungstechnik im Festsaal Kreuzberg an der Skalitzer Straße versagte; der Fernseh-Beamer brach immer wieder zusammen. Weder die Hochrechnungen wurden zunächst präsentiert, noch gab es WASG-Frontfrau Lucy Redler beim Interview im Abgeordnetenhaus zu sehen. Aber angesichts des Ergebnisses hatten die Anhänger auch nicht allzu viel verpasst.

Dass die WASG den Einzug ins Abgeordnetenhaus verfehlte, überraschte kaum jemanden, verhalten waren die Reaktionen. „Das war zu erwarten“, sagten einige, ein wenig enttäuscht waren sie trotzdem. Am emotionalsten waren die Äußerungen noch, als das Abschneiden der NPD in Mecklenburg-Vorpommern bekannt wurde. Da ging ein lautes „Buh!“ durch den Saal, den ein Plakat „Sozialstaat verteidigen, Reichtum umverteilen“ schmückte.

Auch die Schadenfreude über die Verluste der PDS war bei den Anwesenden nicht zu überhören. „Das lag nicht an uns, das hat diese neoliberale PDS selbst zu verantworten“, sagte Kati Pirdawari, die in Schöneberg für die WASG Wahlkampf gemacht hatte. Bei einer Fusion der WASG mit der PDS will sie aussteigen: „Schade um das Projekt!“ Diese Konsequenz will Sebastian Gerhardt, der auf Platz zwei der Landesliste stand, nicht ziehen. Der Berliner WASG-Flügel bleibe stark, ist er überzeugt. sik

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