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Berlin: Beim Geld kann jeder mitreden

Jetzt führt auch Friedrichshain-Kreuzberg den Bürgerhaushalt ein

Neue Radwege oder mehr Bänke im Park; lieber Romane oder besser DVDs in den Bibliotheken? Die Berliner sollen künftig stärker selbst entscheiden können, wofür der Staat sein Geld ausgibt. Nach Lichtenberg plant nun auch Friedrichshain-Kreuzberg einen Bürgerhaushalt. Er soll in drei Stufen eingeführt werden. Die erste Stufe heißt Transparenz: Wie ist ein Haushalt aufgebaut, wie liest man ihn, welche Spielräume gibt es bei der Verteilung der Mittel? Eine Broschüre soll diese Fragen noch in diesem Jahr beantworten. Zugleich soll der Haushalt 2008 in leicht verständlicher Form im Internet zu finden sein.

Zweite Stufe: Für Frühjahr 2008 sind dann Veranstaltungen im ganzen Bezirk geplant, bei denen auch erste Bürgerwünsche geäußert werden können. „Dabei muss aber auch klar gemacht werden, dass die zur Verfügung stehende Summe nicht erweiterbar ist“, sagt die Kreuzberger Finanzstadträtin Sigrid Klebba (SPD). Es gehe um Umschichtung nach dem Motto: „Wenn Euch diese Sache wichtiger ist, könnte man das Geld da und da wegnehmen.“ In den Haushalt 2008 schaffen es die Wünsche aber nicht mehr, aber 2009 könnten dann erstmals einzelne Bürgervorschläge zu Schwerpunktthemen berücksichtigt sein. „Am Ende entscheidet die Bezirksverordnetenversammlung über die Vorschläge. Aber wenn sie etwas ablehnt, muss sie das begründen“, sagt Klebba. In der dritten Stufe sei dann volle Bürgerbeteiligung bei allen Themen erreicht, erstmals im Haushalt 2010. Das Ganze diene der Motivation der Menschen, sich mehr für kommunale Belange zu interessieren. Auch Jugendliche sollen mitreden können, etwa über Sportanlagen und Jugendclubs.

„Das ist ein wesentlich besseres Modell als in Lichtenberg“, lobt der grüne Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger. Die Dreistufigkeit habe es in Lichtenberg nicht gegeben, und die Beteiligung sei dort eher rückläufig. „Von 10 000 ausgesandten Fragebögen mit 40 Bürgervorschlägen kamen nur 700 zurück, im Vorjahr waren es 700 von 5000.“ Die Erfolge seien mager: „Die Leute haben gemerkt, dass sich am Haushalt nichts ändert, auch wenn die BVV alle Vorschläge annimmt“, sagt Schruoffeneger. „Da fühlt man sich doch nicht mehr ernst genommen.“ Von einem Etat von 550 Millionen Euro seien nur 23 000 Euro umgeschichtet worden. Für 2007 erwartet Lichtenberg nach eigenen Angaben ein Budget von 515 Millionen Euro. Das meiste davon ist gar nicht beeinflussbar: Sozialausgaben und Personalkosten fressen fast den ganzen Haushalt auf. Nur 30 Millionen Euro können überhaupt durch Politik verteilt werden.

Weltweiter Vorreiter bei der Bürgerbeteiligung ist das brasilianische Porto Alegre. Dort gibt es die Haushalts-Mitsprache schon seit 1989. „Wo es funktioniert, machen Bürger sehr gute Vorschläge und sind sparsamer als die Verwaltung“, sagt Schruoffeneger. Auch anderswo in Lateinamerika und in Vororten von Paris lasse sich das besichtigen. „Als Modell ist das richtig, notwendig und fantastisch.“ Nur, dass es in Berlin noch nicht richtig funktioniere. Bloße Scheinbeteiligung sei eben demotivierend. Fatina Keilani

Fatina Keilani

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