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Berlin: Bekenntnis zur widersprüchlichen Stadt

Der Regierende stellt seine Politik der nächsten fünf Jahre vor und verspricht: „Dieser Senat steht“

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Regierende stellt seine Politik der nächsten fünf Jahre vor und verspricht: „Dieser Senat steht“

Ja, die Wahl zum Regierenden Bürgermeister sei holprig und kein guter Start gewesen. „Aber täuschen Sie sich nicht, dieser Senat steht“, sagte Klaus Wowereit zu Beginn seiner Regierungserklärung im Parlament. Einer alten Tradition folgend, legte er dem Abgeordnetenhaus gestern die „Richtlinien der Regierungspolitik“ vor. Genau 60 Punkte auf 28 Seiten, von der Zusammenführung des Ostens und des Westens über die Verwaltungsreform, Vertretungsmittel für Lehrer und ökologisches Wirtschaften bis zur Haushaltskonsolidierung.

Diesen Katalog trug Wowereit gestern nicht vor. Er bemühte sich stattdessen darum, die politische Philosophie der rot-roten Regierung zu erklären. „Internationale Metropole zu sein und dies täglich zu leben, das ist unser Anspruch.“ Der Senat stehe für eine offene Gesellschaft und werde sie ausbauen. Geistige Enge, Rückwärtsgewandtheit und Provinzialismus stünden dem entgegen. Berlin sei nicht einfach. Berlin sei nicht fertig und lebe aus der Spannung der Gegensätze. „Anpassung und Provokation, Establishment und Nische, Charme und Ruppigkeit – diese Widersprüchlichkeiten sind Triebkräfte unserer Stadt.“

Gelegentlich redete der FDP-Fraktionschef Martin Lindner dazwischen, doch als der Regierende Bürgermeister versprach, „alle Neonazis und rechtsgerichteten Gruppierungen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen“, klatschten auch die Grünen. Das Angebot Wowereits an den Bund, bei einem Umzug der in Bonn ansässigen Bundesministerien nach Berlin „im Rahmen unserer Möglichkeiten Hilfestellung zu leisten“, bewegte wiederum den CDU-Fraktionsvorsitzenden Friedbert Pflüger zu einer kurzen, leisen Beifallskundgebung.

Was will der rot-rote Senat, außer „offen für Veränderung“ zu sein? Er will Garant für die soziale Gerechtigkeit sein. Er will alles tun, um Arbeitsplätze in der Stadt zu erhalten und neue zu schaffen. Wowereit dankte an dieser Stelle den Kammern, Verbänden, den Gewerkschaften und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. „Die Profilierung des Wirtschaftsstandorts Berlin ist ein Gemeinschaftswerk.“ Dann versprach er, Bildung, Wissen und Kultur als „Schlüsselressourcen für die Zukunft Berlins“ zu fördern. Und Berlin müsse seine Chancen als Einwanderungsstadt nutzen.

Trotz der jüngsten Ausschreibungspanne für das Terminal werde es gelingen, den Großflughafen in Schönefeld 2011 zu eröffnen, sagte Wowereit. Und der Airport in Tempelhof werde in jedem Fall geschlossen. „Ich glaube, das gesamte Areal in Tempelhof kann auch ohne Flugbetrieb von großem Interesse für Investoren sein und wir werden sie dabei unterstützen.“ Da schüttelten Lindner und Pflüger gemeinsam die Köpfe. Und als sich der Regierungschef ein zweites Mal für seine Äußerungen zu den Kreuzberger Schulen entschuldigte, wurden auch die Grünen kurzzeitig munter.

Versöhnliche Worte zur Hauptstadt folgten. „Wir sollten mit dem Bund in allen noch zu klärenden Fragen zu tragbaren Lösungen kommen“, sagte Wowereit. Er bekannte sich erneut zu Olympischen Spielen in Berlin und zur Länderfusion mit Brandenburg. Dann die abschließende Bemerkung, dass Berlin mehr sei als Event- und Partyhauptstadt. „Na, wo bleiben jetzt Ihre Reaktionen?“, fragte Wowereit frotzelnd die Opposition. Der PDS-Fraktionschefin Carola Bluhm gab Wowereit in fast allem Recht. Mit Rot-Rot habe die Stadt die Möglichkeit, ihre Potenziale zu entfalten. Der Opposition warf sie Ideenmangel vor. Mit dieser Einstellung könne Pflüger höchstens „Meister im Besorgt-gucken“ werden.

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