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Berlin: Beleidigung: Typisch deutsch? Frage an die Polizei mit Strafbefehl beantwortet

Wer einen Polizeieinsatz kritisiert, riskiert eine Verurteilung wegen Beleidigung. Diese verblüffende Erfahrung machten vor kurzem drei Zehlendorfer, die an einer Polizeiaktion um eine Straßenmusikantin Anstoß genommen hatten.

Wer einen Polizeieinsatz kritisiert, riskiert eine Verurteilung wegen Beleidigung. Diese verblüffende Erfahrung machten vor kurzem drei Zehlendorfer, die an einer Polizeiaktion um eine Straßenmusikantin Anstoß genommen hatten. Sie hatten erwartet, dass die Polizei ihren Rügen nachgeht. Stattdessen erhielten alle drei einen Strafbefehl über jeweils 900 Mark wegen Beleidigung eines beteiligten Polizeimeisters. Nun muss ein Gericht die Frage klären, ob folgender Satz eine Beleidigung ist: "Ferner hat sich uns leider die Frage aufgedrängt, ob die Behandlung dieser Frau eine andere gewesen wäre, wenn sie über einen deutschen Pass verfügt hätte."

Die drei haben Einspruch eingelegt: nicht nur, weil sie die Strafe für eine juristische Fehlentscheidung halten, sondern weil sie sich ausgerechnet für Zivilcourage bestraft fühlen. "Indirekter ehrverletzender Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit", hat die Amtsanwaltschaft dazu gesagt.

Und ein Richter ist ihr mit dem Strafbefehl über 15 Tagessätze gefolgt - späte juristische Folge eines Vorfalls, der sich am 10. März am Teltower Damm ereignete. Wie schon häufig, spielte dort eine junge osteuropäische Frau auf ihrer Balalaika. Ein Polizist, so der Zeuge in seinem späteren Schreiben an die Polizei, "forderte sie in einer Art und Weise zur Herausgabe ihrer Papiere auf, die etliche Passanten sofort zum Stehenbleiben bewegte". Sie mischten sich ein. Gefragt wurde wohl auch, ob die Polizisten nichts Wichtiges zu tun hätten. Daraufhin forderten die Beamten Verstärkung an mit dem Satz, dass die "Aktion von Schaulustigen gestört wird".

Die Musikantin wurde schließlich "in den Dienstwagen gezerrt", sagt der Zeuge, der sich mit anderen Augenzeugen über die "Grobheit" und die "unschöne Aktion" empörte und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellte. Das alles schrieb er, gemeinsam mit zwei anderen, ein paar Tage später an die Polizeidirektion. Gewürzt am Schluss mit der Frage, ob die Behandlung der Musikantin bei einem deutschen Pass wohl anders gewesen wäre.

Die Polizei hat diese Frage nie beantwortet und den Einsatz nie gerechtfertigt. Stattdessen hatten die drei plötzlich einen Strafantrag von Polizeimeister G. am Hals, der sich als angeblicher Ausländerfeind beleidigt fühlte. Im Ermittlungsverfahren lehnten die drei es ab, sich weiter zu äußern. Der Strafbefehl erging dann auf die Zeugenaussagen von vier Polizisten hin. Allerdings hat der sonstige Sachverhalt offenbar gar keine Rolle gespielt, denn der Strafbefehl über die 900 Mark zitiert ausschließlich den Satz über den "deutschen Pass" - juristisch also eine Art Literaturdelikt.

Staatsanwaltschaft und Gericht müssen wegen des Einspruchs nun neu prüfen, ob die innere Überlegung ("hat sich uns die Frage aufgedrängt") der Zeugen schon eine Beleidigung ist. Und ob es vielleicht Grund für solche Überlegungen gegen könnte. Und Fragen beantworten: Warum nur ein Beamter beleidigt worden ist und nicht alle; ob sich ein einzelner Polizist, der gar nicht genannt wurde, die kritische Äußerung über einen behördlichen Einsatz persönlich anheften darf. Und ob eine womöglich überspitzte Kritik an der Polizei gleich eine Straftat ist. Nach Auskunft einer Justizsprecherin sind solche Verurteilungen nicht ungewöhnlich.

Hans Toeppen

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