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Berlin: „BER-Chaos ist der Preis für Demokratie“

Flughafen-Chef Mehdorn verteidigt Politiker gegen Vorwürfe – und kritisiert Architekten und Anwohner.

Berlin - Hartmut Mehdorn, der Chef der Berliner Flughafengesellschaft, hat Politiker gegen den Vorwurf verteidigt, sie seien für Verzögerungen bei Bauprojekten wie dem BER verantwortlich. Anders als in China oder Dubai, wo lautlos ganze Städte gebaut würden, gäbe es in Deutschland Prüfverfahren, Proteste, politische Macht- und Interessenwechsel. „Dadurch entstehen Verzögerungen und Mehrkosten. Das ist der Aufschlag, den wir für die Demokratie bezahlen“, sagte Mehdorn am Montag vor 300 Gästen der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Es sei ein schmerzvoller und teurer Aufpreis. „Aber wir können froh sein, dass wir ihn zahlen dürfen.“ So wisse man, dass Projekte am Ende von der Gesellschaft akzeptiert würden.

Mehdorn kritisierte die Rolle der Architekten. Er „kenne und bewundere“ etwa Meinhard von Gerkan, der den Flughafen, aber auch den Berliner Hauptbahnhof entworfen hat. Gerkan sei ein „grandioser Architekt mit einem wirklich vorzeigbaren Lebenswerk“, sagte Mehdorn. „Sie dürfen als Bauherr aber den Architekten das Feld nicht kampflos überlassen, sonst laufen einem die Kosten davon.“ Auch seien zu viele Juristen mit der Baustelle befasst.

Mit den Protesten zum Bahnhofsbau Stuttgart 21 habe sich etwas verändert in Deutschland. Heute gebe es kein Großprojekt, das nicht von einer Vielzahl von Bürgerinitiativen und kritischen Begleitern „aufs Korn genommen“ werde. „Keine Autobahn, keine Eisenbahn, keine Stromtrasse ohne massive Gegenwehr“, klagte Mehdorn. Oft gehe es bis zum Verfassungsgericht. Er nehme derartige Proteste ernst, sagte er und bekannte sich auch zum Schallschutz rund um den Flughafen. „Da wo nötig, müssten Bürger physischen, echten Schallschutz bekommen.“ Das jüngste Urteil des Landesverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg erschwere dies aber, da Anwohner wegen der hohen Grenzwerte motiviert würden, die finanzielle Entschädigung zu nehmen, ohne tatsächlich Schallschutzmaßnahmen zu verwirklichen.

Mehdorn warb für seinen Vorschlag, mit dem er schon am ersten Tag seines Dienstantritts vor gut 100 Tagen Aufsehen erregt hatte: Man solle den Flughafen schrittweise eröffnen. „Wir würden das Ganze gern nach vorne hin entzerren“, erklärte er. Man sei in konstruktiven Gesprächen mit einigen Fluggesellschaften, die derzeit am alten Flughafen Schönefeld operieren – angeblich sind es Easyjet, Condor und Norwegian. Mitte Juli könne man einen Beschluss fassen, ob diese von Oktober an vom Nordpier des BER starten könnten. Das wäre ein Betrieb mit 2000 bis 10 000 Passagieren und nicht mit 60 000 am Tag. Ein Teil-Umzug hätte auch psychologische Vorteile, argumentierte Mehdorn. So könnte man Flughafenmitarbeiter aus Tegel wochenweise am BER einsetzen und ihnen die Scheu vor dem Standort nehmen.

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