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Kommt nicht in den Verkehrsausschuss: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)

© dpa

BER-Desaster: Wowereit erteilt Verkehrsausschuss erneut eine Absage

Der Verkehrsausschuss im Bundestag will mit Berlins Regierendem Bürgermeister über das Flughafen-Debakel sprechen. Doch Wowereit debattiert am Mittwoch lieber mit den Haushaltsexperten des Parlaments.

Der Verkehrsausschuss des Bundestages hat Klaus Wowereit (SPD) bereits zweimal vergeblich eingeladen, um sich vom Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft die Gründe für das BER-Debakel erklären zu lassen. Doch Berlins Regierender Bürgermeister folgt offenbar lieber der Einladung seiner Berliner Parteifreundin Petra Merkel. Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Kreisverband Charlottenburg ist Vorsitzende des Haushaltsausschusses, dem Wowereit am Mittwoch einen Besuch abstatten will. Am selben Tag wird sich auch der Verkehrsausschuss im Bundestag erneut mit der Kostenentwicklung und den möglichen Verzögerungen am Bau des BER beschäftigen – zum Unmut der Ausschussmitglieder wiederum ohne Wowereit. Die Mitglieder des Verkehrsausschusses können zwar an der Sitzung der Haushälter als Gäste teilnehmen, aber ein Fragerecht wird ihnen nicht zugestanden. Genau das aber wollten sie, da Wowereit ihren Ausschuss, der fachpolitisch eigentlich für das Thema BER zuständig ist, offenbar meidet. Doch nach Auskunft der SPD-Abgeordneten Petra Merkel hätten sich die Obleute des Haushaltsausschusses dagegen ausgesprochen.

Bildergalerie: Das Desaster um den Flughafen BER

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Toni Hofreiter (Grüne), zeigte sich wenig überrascht davon, dass nun auch der 17. März 2013 als Eröffnungstermin infrage gestellt wird. „Dieser Termin war ohnehin politisch gewählt und insofern ist es ja schon positiv zu werten, dass man schon jetzt über eine Verschiebung des Termins nachdenkt und nicht erst kurz bevor der Termin da ist.“ Es sei aber schon „peinlich“, dass man nicht erst geprüft habe, bevor man den neuen Termin genannt habe. Hofreiter kündigte an, auch den neuen Controlling-Bericht zur Einsicht zu beantragen.

In Brandenburg gerät Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wegen des Schlingerkurses seiner rot-roten Regierung beim Schallschutz für die Anwohner des künftigen Willy-Brandt-Flughafen Schönefeld in Erklärungsnot. Oppositionelle Grüne und die CDU, aber selbst Linke und Sozialdemokraten kritisierten am Wochenende, dass sich der Aufsichtsrat trotz des Urteils des Oberverwaltungsgerichts (OVG) nicht der Billigvariante beim Lärmschutz entgegenstellt. „Das ist ein Skandal. Platzeck vertritt nun endgültig nicht mehr die Interessen der Brandenburger, sondern betrügt sie um ihre Rechte“, erklärte CDU-Vizefraktionschef Dieter Dombrowski. „Das OVG-Urteil muss 1:1 umgesetzt werden, und zwar sofort“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Indirekt kritisierte auch Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser den Kurs: Der Lärmschutz sei „gemäß Planfeststellungsbeschluss umzusetzen und zwar endlich ohne Trickserei“.

Airport wird um 1,2 Milliarden Euro teurer

Am Sonnabend hatte Platzeck Brandenburgs Fraktionschefs über die Ergebnisse der Aufsichtsratssitzung vom Vortag informiert. Danach wird der neue Flughafen wahrscheinlich um 1,2 Milliarden Euro teurer und damit rund 4,6 Milliarden Euro kosten, doppelt so viel wie vor fünf Jahren veranschlagt. Allein das chronisch unterfinanzierte Schallschutzprogramm muss in Folge des OVG-Urteils um 600 Millionen Euro aufgestockt werden. Nach dem Gerichtsbeschluss muss in 14 000 Wohnungen gewährleistet sein, dass kein Flugzeug lauter als Gesprächslautstärke von 55 Dezibel sein darf.

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Die Flughafengesellschaft FBB hat dagegen eigenmächtig alle 16 000 Bewilligungen mit der Maßgabe von sechs Überschreitungen des 55-Dezibel-Pegels pro Tag berechnet – und dabei Auflagen des brandenburgischen Verkehrsministeriums missachtet. Auch im Aufsichtsrat vertrat Brandenburg die Position, das Schallschutzprogramm nach Maßgabe maximal einer Pegelüberschreitung zu berechnen, womit immer noch 257 Millionen bis 297 Millionen Euro zusätzlich fällig wären. Nun läuft es darauf hinaus, dass das brandenburgische Verkehrsministerium Anfang Juli den Flughafen verpflichtet, das OVG-Urteil sofort umzusetzen – und die Flughafengesellschaft, mit Zustimmung Platzecks, sofort gegen diesen brandenburgischen Bescheid vorgehen wird. Allerdings betont die Regierung, dass Brandenburg bei seiner Position von einer tagsüber einmaligen Überschreitung der 55 Dezibel bleibt – statt sechs Mal 55 Dezibel, die der Flughafen bislang praktiziert, unterstützt von den Mitgesellschaftern Berlin und dem Bund. Die Flughafengesellschaft will den Planfeststellungsbeschluss nachträglich ändern lassen.

„Es klingt nicht vernünftig, wenn man tagsüber mehr Schallschutz vorsieht als nachts“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Berlin wolle juristisch prüfen lassen, wie der Planfeststellungsbeschluss auszulegen sei. „Wir stehen für einen Schallschutz für Anwohner von Flughäfen wie in anderen Städten auch. Hier wird aber versucht, immer neue Maximalforderungen aufzustellen, die bisher nirgendwo in Deutschland so umgesetzt worden sind“, sagte Meng.

Mit dem Koalitionspartner CDU gibt es in diesem Punkt keinen Dissens. „Wir brauchen Rechtssicherheit, welche Lärmschutzmaßnahmen notwendig sind“, sagte der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici. Das Problem seien die Mehrkosten. Friederici fordert eine „rechtlich abgesicherte planbare Finanzierung“.

Dass sich Platzeck dafür starkgemacht hat, den Planfeststellungsbeschluss nicht mehr zu ändern, hänge auch damit zusammen, dass die meisten von Lärm betroffenen Anwohner auf brandenburgischem Gebiet wohnten und Platzeck weitere Konflikte vermeiden wollte, heißt es bei SPD und CDU in Berlin.

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