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Demonstranten begleiteten das Verfahren mit Plakaten.

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BER-Planung: Richter zweifelt am Täuschungsvorwurf

Wurden die Anwohner des Flughafens betrogen? Darüber verhandelt das Verwaltungsgericht in Leipzig. Obwohl noch kein Urteil gefällt wurde, zeichnete sich am Dienstag bereits ein Ergebnis ab.

Nur wenige haben Plakate mitgebracht, auf denen sie gegen das Planungsverfahren für den künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld protestieren. Ihren Platz vor dem Eingang des ehrwürdigen Gebäudes des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig müssen die Demonstranten am Dienstag früh aber schnell räumen. Lediglich auf dem Vorplatz dürfen sie ihre Plakate in die Höhe recken, ordnet ein Aufpasser des Gerichts an. Passanten eilen kaum vorbei, aber für ein Erinnerungsfoto reicht es.

Noch sind die Kläger, die juristisch formuliert die Wiedereinsetzung in die Klagefrist gegen den Ausbau des Flughafens beantragt haben, optimistisch. „Zu eindeutig ist, dass wir betrogen worden sind“, sagt einer der Kläger. Wenige Minuten später folgt im holzgetäfelten Großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts die erste Ernüchterung.

Der Vorsitzende Richter Rüdiger Rubel deutet gleich zu Beginn der mehrstündigen Verhandlung an, dass wohl alles so bleiben wird, wie es war. Die Erfolgsaussichten der Kläger scheinen gering zu sein, auch wenn sie nach wie vor überzeugt sind, von der Flughafengesellschaft, der Planfeststellungsbehörde und auch der Deutschen Flugsicherung getäuscht worden zu sein.

Bildergalerie: So entsteht der neue Flughafen

Schriftwechsel und Protokolle, an die Bürgerinitiativen zum Teil nur mit Hilfe des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gekommen sind, belegen, dass den Planern mindestens seit 1998 klar war, dass die Routen, die Vorgaben für den Ausbau des Flughafens waren, nicht den internationalen Bestimmungen entsprachen und damit unrealistisch waren. Sie sahen weiter Geradeausflüge nach dem Start vor, obwohl bei parallelen Abflügen, wie es der Flughafen haben will, die Maschinen zur Sicherheit vor Kollisionen nach dem Abheben um mindestens 15 Grad voneinander abweichen müssen, was zu anderen Routen führt.

Hauptstreitpunkt Flogrouten

Rüdiger Rubel ist der Vorsitzende Richter des 4. Senats am Bundesverwaltungsgericht.
Rüdiger Rubel ist der Vorsitzende Richter des 4. Senats am Bundesverwaltungsgericht.

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Dies sei aber nur eine Grobplanung gewesen, sagte Rubel. Allen Beteiligten hätte klar sein müssen, dass die Routen im Planfeststellungsverfahren, das nur den Ausbau des Flughafens regelt, noch nicht endgültig festgelegt seien. Routen seien gewissermaßen „flüchtig“. Die Zuschauer im fast voll besetzten Saal murren leise. Meinungsäußerungen sind, wie üblich vor Gericht, nicht gestattet. Dann beginnt ein fachliches Gefecht, was unter einer Täuschung zu verstehen ist. Rubel setzt die Latte sehr hoch. Hat man bei der Zulässigkeit der Klagen getäuscht, bei der Begründetheit oder etwa bei der Wahrscheinlichkeit auf eine Erfolgsaussicht? Alles schwer zu fassen.

Die Anwälte der Kläger kontern. Auch auf die Grobplanung der Routen müssten sich die Anwohner verlassen können; vor allem, wenn sie suggeriere, dass Gebiete nicht betroffen seien. Und selbst wenn die Routen nur „wahrscheinlich“ so kommen werden, wie im Planverfahren dargestellt, sei die Planung mit den Geradeausflügen nach dem Start die unwahrscheinlichste Variante gewesen. Den Klägern sei damit die Möglichkeit genommen worden, im damals laufenden Planverfahren vor Gericht zu ziehen – wie es rund 4000 andere Anwohner gemacht hatten. Ihre Klagen waren vom Bundesverwaltungsgericht allerdings im März 2006 zurückgewiesen worden. Lediglich bei den Nachtflugregelungen musste nachgebessert werden.

Die Flughafenpannen in Bildern

Ob den jetzigen Klägern ihre Rechte im Planungsverfahren genommen worden waren, bezweifelt der Vorsitzende Richter allerdings. Allein die Möglichkeit, betroffen sein zu können, hätte im Planungsverfahren gereicht, vor Gericht zu ziehen, sagte Rubel. Hier gebe es, gerade bei den Routen, eine erhebliche Prognoseunsicherheit, weil die Kurse der Flugzeuge eben erst kurz vor der Betriebsaufnahme des neuen Flughafens festgelegt würden; 15 Jahre nach den ersten Plänen.

Hier müsse der Bürger schlauer sein als die Behörde, entgegnet ein Anwalt. „Ins Blaue“ zu klagen, sei viel zu risikoreich, weil die Verfahren teuer seien. An diesem Mittwoch soll der Prozess weitergehen. Ein Urteil wird am zweiten Verhandlungstag aber noch nicht erwartet, es soll im Lauf dieses Monats gesprochen werden.

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