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Das BER-Desaster: Wowereit will Verantwortung tragen - aber nicht allein

Der Bau des neuen Flughafens wird für Berlins Regierenden Bürgermeister und BER-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit zum Alptraum. Wie steht er zu seiner Verantwortung?

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Die Sommerpause ist vorbei, und sofort mussten sich die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD), in ihren Landesparlamenten den Fragen und der Kritik der Opposition stellen. Am Mittwoch war Platzeck an der Reihe, einen Tag später war Wowereit dran. Er ist der Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft (FBB), er steht im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit – und das nicht nur in Berlin.

Wie verteidigt Wowereit das BER-Projekt und sein eigenes Agieren?

Kühl und in neuer Sachlichkeit ging der Regierende Bürgermeister mit den zahlreichen Vorwürfen der Opposition um. Offenbar hat ihn die Krise um den Flughafen dazu gebracht, auf Kritik an seiner Person geduldiger und etwas verständnisvoller als früher zu reagieren. Die Botschaft des Tages: Der Senat habe nichts zu verheimlichen und werde die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, den die Opposition beantragt hat, konstruktiv begleiten. Wowereit räumte auch ein, dass durch die Verschiebung des Eröffnungstermins und die heftig gestiegenen Kosten ein „nicht geringer Schaden“ entstanden sei. Dafür ist er bereit, geradezustehen – aber nicht allein. Mit einem kleinen Seitenhieb auf den Bund, der auch am Airport beteiligt ist, sagte der SPD-Politiker im Berliner Parlament, dass „einige versucht sind, sich in dieser Situation einen schlanken Fuß zu machen“. Wenn sich der Rauch gelegt habe, versprach der Regierungschef, „werden wir in Ruhe besprechen, wer für was die Verantwortung zu tragen hat“.

Den endgültigen Eröffnungstermin für den neuen Hauptstadtflughafen ließ er erwartungsgemäß offen, den wird der Aufsichtsrat am 14. September verkünden. Und zu den Kosten und deren Finanzierung durch die Länder Berlin, Brandenburg und den Bund ließ er lediglich durchblicken, dass es keine Sparmaßnahmen zulasten der Bürger geben werde. Und Wowereit ist optimistisch, dass die Wettbewerbshüter in Brüssel mitspielen und die notwendigen Kapitalhilfen, die den Airport vor der Zahlungsunfähigkeit retten sollen, notifizieren werden. Bis dahin werde es, wie schon angekündigt, einen Überbrückungskredit der öffentlichen Eigentümer geben. Nach derzeitigem Stand der Dinge in Höhe von 430 Millionen Euro.

Wie attackiert ihn die Opposition?

Die Oppositionsvertreter versuchten im Parlament den Eindruck zu erwecken, Berlin stecke noch immer in dem Sumpf, in den es einst beim Bankenskandal gesunken ist. Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop warf Wowereit vor zu „mauern“ und „abzutauchen“. Der Regierende Bürgermeister habe den einst versprochenen Mentalitätswandel verschlafen. „Wie konnte es so weit kommen, dass inzwischen weltweit der Name BER für Pfusch und Pannen steht?“, fragte Pop und forderte von Wowereit klare Auskünfte, wie es mit dem Flughafen weitergehen soll.

Deutliche Kritik kam auch von den Piraten: „Etwas Demut stünde Ihnen hier gut zu Gesicht, auch wenn das mit dem Selbstbild eines fröhlichen Sonnenkönigs schwer zu vereinbaren scheint“, befand Oliver Höfinghoff, und sein Fraktionskollege Christopher Lauer bescheinigte Wowereit einmal mehr ein Komplettversagen als Flughafen-Aufsichtsrat. Weniger deftig äußerte sich Ex-Koalitionspartner Udo Wolf, Fraktionschef der Linken. Aber auch er forderte konkrete Entscheidungen, vor allem zur künftigen Finanzierung des Projekts Flughafen – und gab im Übrigen stilecht den linken Oppositionspolitiker: Seine Fraktion werde keine Kürzungen im Sozialbereich mittragen, um die Flughafen-Mehrkosten zu finanzieren.

Erwartungsgemäß nicht durchsetzen konnten sich die Oppositionsparteien mit ihrer Forderung, den Untersuchungsausschuss ohne Umweg über die Ausschüsse direkt einzusetzen. Der Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wurde in den Haupt- und Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses überwiesen. Die Parteien lieferten sich einen Kleinkrieg zur Frage, wer denn nun die Einsetzung des Untersuchungsausschusses hinausgezögert habe. Udo Wolf bezeichnete die Debatte darüber als „absolut unterirdisch“. Das Gremium wird möglicherweise erst nach den Herbstferien seine Arbeit aufnehmen.

Warum fordert kaum jemand Wowereits Rücktritt als BER-Aufsichtsratschef?

Auf den ersten Blick wundert man sich. Bisher forderten nur Brandenburgs CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski und dessen Amtskollege von der Bundes-FDP, Patrick Döring, den Rücktritt Wowereits und dessen Stellvertreters im Aufsichtsrat, Matthias Platzeck. Alle anderen Rücktrittsforderungen, etwa der Grünen und Piraten, konzentrierten sich auf den Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz. An dieser Situation dürfte sich nur etwas ändern, wenn weitere Katastrophen passieren. Der relativ zartfühlende Umgang mit Wowereit hat plausible Gründe: Erstens löst eine Auswechslung führender Aufsichtsratsmitglieder die Probleme des Flughafens nicht, die Nachfolger müssten sich binnen kurzer Zeit in äußerst komplexe Zusammenhänge einarbeiten und mit dem Führungsteam der Flughafengesellschaft vertraut machen. Zweitens drängt sich niemand als neuer Aufsichtsratsvorsitzender auf. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wird sich gewiss nicht in die Höhle des Löwen begeben. Ein CDU-Verkehrsexperte im Bundestag schlug den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) vor. Die originelle Idee verhallte fast schneller, als sie ausgesprochen wurde.

Wie geht es nun beim Flughafen-Projekt weiter?

Am 14. September soll der Aufsichtsrat den endgültigen Eröffnungstermin festlegen und ein Finanzierungskonzept für die zusätzlichen Kosten von bislang 1,177 Milliarden Euro beschließen. Diese Entscheidungen werden am nächsten Mittwoch im Finanzausschuss des Kontrollgremiums vorbereitet. Dann soll auch der neue Bauablaufplan vorliegen. Jüngsten Gerüchten zufolge weist diese Planung auf einen Eröffnungstermin im Mai oder Juni 2013 hin. Voraussetzung dafür ist, dass die Tests der Brandschutzanlage spätestens im Januar erfolgreich abgeschlossen werden, damit das komplizierte System behördlich genehmigt werden kann.

Der CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici kündigte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eine parlamentarische Initiative der Union für eine „konsequente Umsetzung“ des Schallschutzprogrammes an. Außerdem erwarte die CDU von der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft eine „glasklare Bestätigung“ des Eröffnungstermins am 17. März 2013.

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