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Flughafen-Desaster: Bund geht als Minderheitseigner in die Offensive

Am Neubau des Flughafens ist neben den Ländern Berlin und Brandenburg auch der Bund beteiligt. Verkehrsminister Ramsauer hat nun eine Task Force gegründet und fordert mehr Transparenz.

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Ein Lieblingsprojekt ist der Flughafen für Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sicher nicht. Der Bund ist schließlich „nur“ Minderheitseigner mit 26 Prozent. Und in Bayern liegt der BER auch nicht. Warum sollte man dafür allzu viel Energie verschwenden?. Nur jetzt, wo das gesamte Projekt immer mehr zur Farce gerät, könnte es doch noch interessant werden – politisch.

Zunächst muss man sich aber vor Augen führen, dass der Bund beim Neubau des Hauptstadtairports bislang nicht als maßgeblicher Beteiligter wahrgenommen wurde. Besonders sichtbar wurde das, als im Mai die Verschiebung der – für den 3. Juni geplanten – Eröffnung intern bekannt wurde, aber das Verkehrsministerium einen Tag länger auf diese Hiobsbotschaft warten musste als die Spitzenvertreter Berlins und Brandenburgs. Auch aus dem parlamentarischen Raum gab es immer wieder Kritik an der passiven Haltung Ramsauers.

Mit der Gründung einer Task-Force in seinem Ministerium ging er das erste Mal in die Offensive. Auch als die Bundesbehörde bei den jüngsten Brandschutztests außen vor gelassen wurde, beschwerte sich Ramsauer lauthals und forderte mehr Transparenz. Zur jüngsten Verschiebung des Eröffnungstermins äußerte sich der Minister zwar nicht. Aber intern macht er mobil. Möglicherweise sieht Ramsauer sogar die Chance, sich in absehbarer Zeit zulasten des Aufsichtsratchefs Klaus Wowereit an die Spitze der Bewegung zu stellen. Schließlich hat der CSU-Mann mit Berlins Regierendem Bürgermeister ein Gegenüber, das in Bayern gern als politische Zielscheibe genutzt wird. Ein Sozialdemokrat aus dem hoch verschuldeten Berlin, der nicht einmal im Stande sei, einen Flughafen zu bauen.

Video: BER-Eröffnungstermin steht in den Sternen

Bei seinem Besuch in Bayern vor wenigen Tagen wurde Wowereit zumindest von der Jungen Union wenig gastfreundlich empfangen. Dies alles könnte auch damit zusammenhängen, dass im nächsten Jahr Wahlkampf im Bund und in Bayern ist. Solche taktischen Erwägungen sollte man nicht unterschätzen. Zumal Berlins Regierungschef damit rechnen muss, dass das Flughafendesaster die Chancen der Hauptstadt-SPD bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 schmerzhaft mindert. Schon 2009 blieben die Berliner Sozialdemokraten, aus ganz anderen Gründen, bei 20,2 Prozent hängen. Deutlich hinter der Landes-CDU, die sich als Koalitionspartner jetzt sogar verpflichtet fühlt, Wowereit zu schützen.

„Ich sehe keinen Anlass für einen personellen Wechsel im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft“, sagte der CDU-Fraktionschef Florian Graf am Mittwoch. Er widersprach damit dem Brandenburger CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski, der Wowereit und den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) aufforderte, im Aufsichtsrat „Platz zu machen für Leute mit Entscheidungsfähigkeit und Sachverstand“. Die Union in Potsdam ist allerdings Oppositionspartei. In Berlin blieb es allein den Jungliberalen vorbehalten, Wowereits Rücktritt als Vorsitzender des Aufsichtsrats zu fordern und ihn als inkompetent und völlig überfordert zu kritisieren.

Bildergalerie: Reaktionen auf das BER-Desaster

Vor einem Jahrzehnt hatte der Regierende Bürgermeister den Chefsessel im Kontrollgremium von seinem Amtsvorgänger Eberhard Diepgen (CDU) geerbt. Seitdem ist der Neubau des Flughafens in Schönefeld sein Lieblingsprojekt, das er nach Aussagen von Experten auch einige Jahre lang gut kontrollierte und politisch ordentlich managte. Doch ohne den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus vorzugreifen, der im Herbst eingerichtet wird, lässt sich schon sagen: Wowereit ließ spätestens 2010 die Zügel schleifen. Zwei Mal wurde seitdem die Eröffnung vertagt, nun droht die dritte Verschiebung.

Seitdem konzentriert sich der Zorn des Wahlvolks auf den ehemals so beliebten sozialdemokratischen Regierungschef, der seit Mai in allen Umfragen von der Spitze ins Mittelfeld der Popularitätsskala durchgereicht wurde. Nur die eigenen Parteifreunde stützten bisher ihren Mann an der Spitze demonstrativ. Aber am Mittwoch, nachdem die neueste Verschiebung öffentlich wurde, wollten sich weder der SPD-Landeschef Jan Stöß noch Fraktionschef Raed Saleh oder andere führende Genossen zu Wowereits Rolle in der Flughafentragödie äußern. Es herrschte beredtes Schweigen.

So mussten, kurios genug, die Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus begründen, warum Klaus Wowereit als Aufsichtsratschef nicht zurücktreten muss. Er und Platzeck sollten „die Sache zu einem vernünftigen Ende führen“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Eine Auswechslung käme zu spät und bringe nichts. Ähnlich argumentierte der Pirat Martin Delius: „Am Ende wollen wir alle, dass der Flughafen gebaut wird.“ Rücktritte würden nicht weiterhelfen. Auch Herbert Behrens, Verkehrsexperte der Linksfraktion im Bundestag, beschimpfte nur den Bundesverkehrsminister, der „endlich tätig werden“ müsse. Und aus der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus verlautete, dass man als Opposition prima damit leben könne, dass Wowereit das Flughafenproblem noch eine ganze Weile an der Backe habe.

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