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Wowereit und Platzeck im März 2012: Ob sie dieses BER-Desaster erwartet hätten?

© dpa

Hauptstadtflughafen: Wohin steuert das BER-Projekt?

Wirklich Grund zur Freude dürfte Matthias Platzeck nicht mehr haben, denn im Bund gibt es Zweifel, ob er der geeignete Retter in der Not ist. Aber nicht nur seine Zukunft ist unsicher. Droht nun auch noch die Privatisierung des BER-Projekts?

So ist das beim Flughafen BER: Was eben noch klar erscheint, wird im nächsten Augenblick infrage gestellt. So ist es auch bei der Suche nach einem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Am Montag hatte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit mit seinem Parteifreund, dem brandenburgischen Ministerpräsidenten und bisherigen Aufsichtsratsvize, Matthias Platzeck (beide SPD), sowie mit Rainer Bomba (CDU), Vertreter des Bundesverkehrsministeriums im Aufsichtsrat, verabredet, dass Platzeck Wowereits Aufsichtsratsvorsitz übernimmt. Das haben die drei Gesellschafter-Vertreter auch schriftlich in einer Pressemitteilung festgehalten. Doch dann regte sich Widerstand beim Bundesfinanzministerium. Und ob das ganze Projekt am Ende überhaupt noch öffentlich finanziert werden kann, steht auch in den Sternen.

Warum hat der Bund Bedenken, Platzeck an die Spitze des Aufsichtsrats zu wählen?

Man muss wohl erst mal genau herausfinden, welche Haltung beim Bund nun zählt. Die des Finanz- oder die des Verkehrsministeriums. Am Montag hatte das Verkehrsministerium die Verabredung des Wechsels zwischen Wowereit und Platzeck noch mitgetragen. Doch schnell stellte sich heraus, dass es Widerstand auch im eigenen Lager gibt. Sowohl in der Union als auch in der FDP gab es massive Kritik daran, dass Platzeck und Wowereit einfach die Stühle tauschen. Das sei nur Kosmetik. Union und FDP wollen unabhängige Experten an der Spitze des Kontrollgremiums. Das will dem Vernehmen nach auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ob er sich mit seinen Bedenken aber durchsetzen kann, ist offen. Am Mittwoch traf er sich mit Ramsauer, Platzeck und Wowereit. Die vier verständigten sich auf ein gemeinsames Vorgehen bei den BER-Problemen. Welcher Art dieses Vorgehen ist, und ob das auch eine Verständigung auf die Personalie Platzeck beinhaltet, blieb am Mittwochabend unklar. Gut denkbar, dass das Bundesfinanzministerium nach außen noch ein wenig rebelliert und eine Einigung auf Platzeck nicht bestätigen will, um auch den Unmut aus der Koalition aufzunehmen, den es an der Rochade gibt. Im Finanzministerium weiß man auch, dass der Bund nur Minderheitseigner ist. Der Deal könnte also lauten: Ihr (Berlin und Brandenburg) gebt euren Widerstand gegen die Entlassung von BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz auf, und wir (Bund) wählen Platzeck dann doch mit. Für den Bund hat das den Vorteil, dass man im Fall eines Scheiterns von Platzeck behaupten kann: Wir hatten ja unsere Bedenken. Es ist aber auch ein Signal innerhalb des Bundes. Dort hatte bisher stets das Verkehrsministerium die Federführung in Sachen BER, und das Finanzministerium lief eher mit. Nun hat das Schäuble-Haus ein Zeichen gesetzt in Richtung Ramsauer nach dem Motto: Wir steuern jetzt aktiver mit.

Könnte der Bund über einen Wechsel an der Aufsichtsratsspitze überhaupt bestimmen?

Nein, aber er ist an der Wahl beteiligt. Der Bund ist Minderheitengesellschafter, die Wahl erfolgt mit einfacher Mehrheit. Auch ohne die Stimmen der beiden Bundesvertreter Bomba (Verkehrsministerium) und Staatssekretär Werner Gatzer (Finanzministerium) würde Platzeck gewählt. Nach Tagesspiegel-Informationen kann Platzeck auch sicher mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter rechnen.

Wer käme statt Platzeck infrage?

Es spräche viel dafür, einen mit Großprojekten vertrauten Industriemanager zu nehmen. Namen wie Hartmut Mehdorn oder Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbands der Industrie, studierter Bauingenieur und langjähriger Vorstandsvorsitzender des Bauunternehmens Hochtief, machen auf Bundesseite immer mal wieder die Runde. Union und FDP setzen sich auf jeden Fall für einen externen Experten an der Spitze des Kontrollgremiums ein – jemand, der Zeit und Fachwissen hat. Und auch der frühere SPD-Superminister Wolfgang Clement forderte alle Politiker auf, den BER-Aufsichtsrat zu verlassen. „Ich glaube nicht, dass Politiker dazu geeignet sind, Unternehmen zu führen“, sagte er dem Tagesspiegel. Solch ein Milliardenprojekt könne nicht von einem Aufsichtsrat geführt werden, an dessen Spitze keine Fachleute sitzen.

Potsdams CDU-Oppositionsführer Dieter Dombrowski hat in Briefen an Schäuble und Ramsauer den Bund aufgefordert, Platzeck nicht zu wählen: Dieser sei „für eine solche Aufgabe nachweislich und vollständig ungeeignet“. Es dürfe „nicht der Bock zum Gärtner gemacht“ werden. In diesem Jahr wird im Bund und 2014 in Brandenburg gewählt.

Droht dem BER die Privatisierung?

Muss der Flughafen am Ende privatisiert werden, weil Bund, Berlin und Brandenburg die Kosten nicht mehr stemmen können?

Die Länder Berlin und Brandenburg werden den Flughafenneubau kaum scheitern lassen, immerhin geht es um das größte Infrastrukturprojekt der Region. Allerdings könnte sich der Bund langfristig aus der Flughafengesellschaft verabschieden. Ohnehin herrscht – in Bundesregierung und Bundestag – große Unzufriedenheit wegen der bereits vor der erneuten Verschiebungen aufgelaufenen Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro. Wenn die Gesellschafter jetzt weiteres Geld für die auf unbestimmte Zeit verschobene Eröffnung nachschießen müssen, droht von Seiten des Bundes weiterer Widerstand.

Dürfen überhaupt weitere öffentliche Gelder in den Flughafen gesteckt werden?

Auf jeden Fall müsste der neue Zuschuss wieder als Beihilfe in einem Notifizierungsverfahren von den Wettbewerbshütern der Europäischen Kommission genehmigt werden. In Brüssel wird jeweils geprüft, wie sich ein privater Investor verhalten würde, also ob auch er weiteres Geld in das Projekt stecken würden. Bei den notifizierten 1,2 Milliarden Euro wäre das der Fall, hatte der sogenannte Investortest ergeben: Auch unter nicht-staatlicher Führung wäre das Projekt mit dem Zuschuss noch wirtschaftlich zu betreiben gewesen. Die Beihilfe wurde Ende Dezember 2012 von der EU genehmigt. Ob das auch bei weiteren Zuschüssen der Fall ist, daran wachsen jetzt ebenso die Zweifel wie daran, ob die öffentliche Hand den Flughafen überhaupt noch wirtschaftlich betreiben kann. Es gibt noch einen Spielraum, aber er ist nicht mehr groß. Nach Tagesspiegel-Informationen sehen die EU- Prüfer nur noch einen Puffer für weitere staatliche Subventionen der drei Eigner in Höhe von 800 Millionen Euro. Wie hoch die Mehrkosten tatsächlich werden, ist noch nicht absehbar. Experten meinen, eine Milliarde Euro sei schnell erreicht. Denn die 18-Monate-Frist, die bislang für betroffene Mieter Schadenersatzforderungen ausschloss, ist dann abgelaufen.

Was würde eine Privatisierung bedeuten, wie würde sie ablaufen?

Die EU könnte neue Zuschüsse, zumal wenn sie die vorgegebene Grenze überschreiten, an Auflagen koppeln – wie etwa die Teil- oder Komplettprivatisierung der Flughafengesellschaft. Das Projekt bekäme frisches Geld, der Druck, das Projekt stärker wirtschaftlich zu führen, würde wachsen. Die staatlichen Eigner müssten ihre Anteile bis zu einem bestimmten Stichtag ganz oder teilweise verkaufen. So war es bei der Landesbank Berlin. Die EU-Kommission genehmigte die Milliardenhilfen für die in Schieflage geratene Bankgesellschaft Berlin unter der Auflage, dass das Land Berlin seinen 81-prozentigen Anteil bis Ende 2007 verkauft. Interessant für finanzstarke Anleger: Defizitprojekte können abgeschrieben werden. Später, irgendwann, bringen sie ja vielleicht auch mal Gewinn.

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