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"Hinterher ist man klüger". Matthias Platzeck (SPD) spricht über das BER-Desaster.

© dapd

Update

Regierungserklärung zum BER-Desaster: Platzeck räumt Kosten-Verdopplung des Terminals ein

Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck hat in seiner Regierungserklärung zum verpatzten Flughafenstart erhebliche Kostensteigerungen angekündigt und indirekt eigene Versäumnisse eingeräumt. Es drohen weitere Risiken.

Beim Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld haben sich allein die Kosten für das Fluggastterminal von ursprünglich 630 Millionen Euro mittlerweile auf 1,2 Milliarden Euro  fast verdoppelt. Das hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in einer Regierungserklärung betätigt, die er am Montag auf einer Sondersitzung des Landtags abgab. Eineinhalb Wochen nach Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Abgeordnetenhaus  entschuldigte sich nun auch Platzeck, Vize im Kontrollgremium, für die auf kurzfristig auf nächstes Jahr verschobene Inbetriebnahme des BER in Schönefeld.

Der gute Ruf der Region habe „erheblich Schaden genommen, Brandenburg und Berlin geben im Moment wegen der Verschiebung ein schlechtes Bild ab“, sagte Platzeck. „Das haben die Menschen im Land nicht verdient und dafür entschuldige ich mich als Mitglied des Aufsichtsrates ausdrücklich“. Zwar machte Platzeck in seiner 22 minütigen Rede für die Blamage vor allem die Geschäftsführung verantwortlich, die den Aufsichtsrat selbst bei der Sitzung  am 20.April nicht über eine drohende Gefährdung des Starttermins am 3.Juni informiert habe.

Bilder: So entsteht der neue Großflughafen BER

Indirekt und allgemein gestand Platzeck auch Versäumnisse des Aufsichtsgremiums ein: „Hinterher ist man  klüger. Daher ist es natürlich aus heutiger Sicht so, dass wir noch misstrauischer hätten sein sollen.“  In der Debatte kritisierte die Opposition aus CDU, FDP und Grünen, dass Platzeck zu drohenden Finanzrisiken für die öffentliche Hand, aber auch zum schleppenden Schallschutzprogramm unpräzise und vage blieb. CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski bot der Landesregierung einen „Runden Tisch“ zum Flughafen an, an dem Bürgerinitiativen und Betroffene beteiligt werden müssten.  Dombrowski kritisierte, dass Platzeck „kein Wort“ zu schon jetzt ab 2015 drohenden Kapazitätsengpässen am zu klein geplanten Flughafen verloren habe.

Die grundsätzliche Verteidigungslinie des  Regierungschefs deckte sich mit der von Wowereit und dem Bundesvertreter Staatssekretär Rainer Bomba, wonach  der „Aufsichtsrat nicht  für das operative Geschäft zuständig“ sei, wie Platzeck sagte. Er persönlich werde seine Verantwortung „als Mitglied des Aufsichtsrates weiter wahrnehmen.“ Er erwarte von der Flughafengesellschaft, „dass wir bei der Eröffnung keine Übergangslösungen mehr haben“. Man werde am 17.März 2013 „keine Baustelle in Betrieb nehmen, sondern einen funktionierenden Flughafen.“ Und der werde „als modernster Flughafen Europas unser Land voranbringen.“

Fotos: Publikumstag am unfertigen Großflughafen

In seiner Regierungserklärung bestätigte Platzeck indirekt, dass der seit 2009 offiziell mit 2,5 Milliarden Euro kalkulierte Airport mittlerweile knapp eine halbe Milliarde Euro teurer geworden ist und die Finanzierung des Flughafens durch Kostensteigerungen – noch unabhängig von den Mehrkosten infolge der Verschiebung – an Grenzen stößt. „Die verfügbaren Mittel sind weitestgehend entweder kassenwirksam verausgabt oder durch Verträge gebunden“, sagte der Regierungschef.

Reicht der Finanzrahmen?

„Ich finde das gegen Ende des Vorhabens auch nicht besonders überraschend.“ Konkret nannte er den 2,4-Milliarden-Kredit, 430 Millionen Euro Mittel der Anteilseigner, also der Länder Berlin, Brandenburg und dem Bund, sowie 530 Millionen vom Flughafen in  den letzten Jahren erwirtschaftete Eigenmittel. Für den Fluggastterminal beträgt beträgt nach seinen Worten derzeit die Kostenprognose 1,2 Milliarden Euro, ohne die zwei im Bau befindlichen Abfertigungs-Pavillons und sicherheitsbedingte Umbauten, die weitere 50 Millionen Euro ausmachen würden. Den Kostenanstieg erklärte Platzeck mit der erweiterten Bruttogeschossfläche, aber auch „Standardsteigerungen im Laufe der Bauzeit“.

Ob auf die Länder Berlin, Brandenburg und den Bund zusätzliche Nachschusspflichten hinzu kommen, ließ Platzeck offen. Niemand wisse 13 Tage nach der Verschiebung, „ob der Finanzrahmen ausreicht.“ Gleichwohl versicherte Platzeck, dass „an den festgelegten Mitteln“ für den Lärmschutz auf jeden Fall festgehalten wird. Eingeplant sind dafür bislang 157 Millionen Euro, auf der letzten Sitzung war das Programm um 17 Millionen Euro aufgestockt worden, wobei selbst Brandenburgs Regierung zur Entschärfung der Konflikte von mindestens benötigten 30 Millionen Euro ausgeht.

Bislang gibt es um den Willy-Brandt-Airport fast keinen Lärmschutz, haben nach einem Controllingbericht vom März 2012 erst knapp 1300 Wohnungen Schallschutzfenster, gibt es erst 3900 gültige Kostenerstattungsvereinbarungen - bei knapp 25 000 Anspruchsberechtigten. Die jetzt zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit müsse konsequent genutzt werden, forderte Platzeck, ohne Zahlen zu nennen, „die Lärmschutzmaßnahmen weiter voranzutreiben – und zwar deutlich.“ Die „Schlagzahl“ müsse erhöht werden. „und zwar deutlich.“

Mit keinem Wort ging der Regierungschef darauf eingehen, dass der Flughafen derzeit mit Billigung der Anteilseigner versucht, den geltenden, vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Planfeststellungsbeschluss mit einem Änderungsverfahren auszuhebeln und die Schallschutzstandards in 14 000 Wohnungen der Umgebung damit senken will. Ein entsprechender Antrag liegt im brandenburgischen Infrastrukturministerium. Für den Fall der Ablehnung seines Vorstoßes beziffert der Flughafen in seinem  Antrag die dann drohenden Mehrkosten für teurere Schallschutzfenster und fällige Immobilienpreisentschädigungen auf 297 Millionen Euro, die im Finanzrahmen des 3,3 Milliarden-Euro-Projektes ebenfalls nicht eingeplant sind.

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