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Sie haben Post – Flaschenpost. Der Kieler Berufsfischer Konrad Fischer hält seinen Ostseefund aus dem Jahr 1913 in der Hand. Der Brief sollte nach Berlin.

© dpa

Berlin-Baumschulenweg: Wo sollte die älteste Flaschenpost eigentlich hin?

In der Ostsee wird ein alter Brief entdeckt, sein Datum: 17. Mai 1913. Wo sollte er eigentlich hin? In die Cecilienstraße 7 im Treptower Ortsteil Baumschulenweg. Doch die gibt es nicht mehr. Wir haben uns auf die Suche begeben.

Im „Club im Kietz“ inmitten des Treptower Ortsteils Baumschulenweg ist der sensationelle Flaschenpostfund in der Ostsee am Nachmittag das Hauptgesprächsthema. Schließlich liegt die Kneipe in der Scheiblerstraße keine 80 Meter von der einstigen Wohnung des Postkartenschreibers Richard Platz entfernt. Vor allem ältere Frauen lassen keine Zweifel an der richtigen Adresse aufkommen. „Der Rodelbergweg hieß früher Braunstraße und davor Cecilienstraße“, erzählt eine Rentnerin. „In der Hausnummer 7 bestand schon seit ewigen Zeiten eine Bäckerei. Zuletzt hieß sie ‚Steffens’. Bis 1995 hielt der Laden durch.“ Die Zeitungsartikel über den Flaschenpostfund gehen von Hand zu Hand. Jeder wird gefragt – „Schon jehört?“

An den Namen Richard Platz kann sich allerdings niemand erinnern. Von ihm stammt die am Dienstag in der Ostsee vor Kiel in einer Bierflasche gefundene Postkarte. Das darauf vermerkte Datum 17. Mai 1913 macht diese Flaschenpost zum bislang ältesten Fundstück ihrer Art überhaupt. Der Bäckermeister beschriftete dafür eine schlichte dänische Postkarte, auf der er den Finder bat, die Karte an seine Berliner Adresse zu schicken. Vorsorglich hatte er zwei Briefmarken beigelegt.

Der Straße heißt heute Rodelbergweg. Doch wo ist der Bäcker?

Heute ist von der Bäckerei im Rodelbergweg 7 nichts mehr zu entdecken. „Das Haus ist vor einigen Jahren komplett umgebaut worden“, sagt der Friseur Detlef Drescher. „Von 1968 bis einige Jahre nach der Wende habe ich dort gearbeitet. „Ganz links war der Bäcker, dann folgte unser Friseurladen und daneben bestand ein Fleischer.“ Ab Mitte der 1990er Jahre hätten sich dann die Geschäfte in dem Viertel nicht mehr gelohnt. Es fehlten vor allem die Kunden aus der SED-Kreisleitung und aus einem Stützpunkt der Zivilverteidigung im Rodelbergweg. Er selbst arbeitet jetzt auf der belebten Baumschulenstraße.

Der Absender ist Gesprächsthema Nummer 1 im Kiez

In der Hausnummer 7 wohnen keine Nachfahren des Bäckermeisters mehr. Aber die Gegend spricht dafür, dass sich Richard Platz 1913 durchaus eine Urlaubsreise nach Dänemark leisten konnte. „Die Häuser in dem Karree sind alle 1909/1910 entstanden und waren schon mit Bad ausgestattet“, erklärt der langjährige Ortschronist Jürgen Krämer. „Leider haben sich nur wenige der einst reich verzierten Fassaden erhalten. Aber wer hier wohnte, musste gut verdienen.“ Er weiß auch über die Hintergründe der Straßenumbenennung von Braun- zu Rodelbergweg Bescheid. Die Nazis hätten damals die Erinnerung an eine sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete unbedingt tilgen wollen und sich auf den unverfänglichen Namen des nahen Rodelberges besonnen. Dabei sei es dann auch geblieben. Der Ortschronist, der auch ein Buch über die Geschichte des Viertels verfasst hat, hält den Wohnort des „Flaschenpostlers“ durchaus für plausibel. „Die Baumschulenwegler, vor allem die nördlich der S-Bahn wohnten, galten immer als etwas Besseres.“

Beim genauen Hinschauen fällt an einigen Häuserfassaden des Rodelbergweges noch ein Detail auf, das auf den Wohlstand schon in zurückliegenden Jahrzehnten schließen lässt. Man entdeckt noch Anker für den Fahrdraht der Straßenbahn, die hier von der Köpenicker Landstraße bis zum Baumschulenweg verkehrte. Heute gelten die Straßenzüge ehr als ruhige Wohngegend mit fußläufigen Anschluss zum S-Bahnhof Baumschulenweg.

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